Greift man in einem beliebigen österreichischen Supermarkt zum Apfelsaft, dann hat man mit großer Wahrscheinlichkeit ein Produkt in der Hand, welches aus Konzentrat erzeugt wurde. Dabei handelt es sich um eine aufwendig gepresste Masse, die später mit Wasser wieder zu einem Saft gepanscht wird. Passiert das in Österreich, ist unerheblich woher das Konzentrat ursprünglich stammt, es darf sich dann „Hergestellt in Österreich“ nennen.
Bei den meisten dieser Säfte ist die Herkunft der Früchte auf der Packung nicht angeführt. Laut Expert*innen ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass es sich um Importware handelt. Der Großteil der Konzentrate stammt aus Polen oder gar aus China, denn der Anbau dort ist billig und der Transport um die halbe Welt ebenso. Für die großen Konzerne ist es dadurch ein hochprofitables Geschäft – das Angebot bestimmt die Nachfrage.
Von Alternativen in der Apfelnation
Das müsste aber nicht so sein. Denn es gibt auch Alternativen. Österreich ist eine Apfelnation und könnte den Großteil des eigenen Bedarfs sogar selbst decken. Wenn man es nur wollte. Fragt man Obstbauern wie Leopold Reikersdorfer, dann wäre das dringend notwendig. Denn mit dem heimischen Anbau ist nicht nur ein besonderes Maß an Qualität verbunden, sondern auch das Überleben der kleinbäuerlichen Landwirtschaft.
Weil die „kleinen Höfe“ mittlerweile für viele nur noch ein abstrakter Begriff sind, der zwar in politischen Debatten oft verwendet wird, zu dem gerade städtische Konsument*innen aber wenig direkten Bezug haben, wollen wir uns das näher ansehen. Und haben die Familie Reikersdorfer im Mostviertel besucht. Denn ihr Hof steht geradezu idealtypisch für einen anderen Weg an Lebensmittelerzeugung, den wir gemeinsam beschreiten sollten.
Die Anreise auf den Betrieb von Leopold Reikersdorfer ist von Wien aus nicht weit, etwa 90 Minuten ist man mit dem Auto unterwegs. Schneller geht’s von Linz, da sind es kaum mehr als 45 Minuten. Die Fahrt dorthin gestaltet sich schön, das Mostviertel, in dessen Herzen die Familie bereits in 4. Generation ihre 13 Hektar Land bewirtschaften, ist einen Besuch wert. Das machen seit der Corona-Pandemie auch immer mehr, berichtet Leopold Reikersdorfer.
150 Produzenten, bis zu 100 Jahre alt
Die Gegend sei zwar nicht gerade die klassische Tourismusregion, so der Bauer, doch seit der Rückbesinnung auf Werte wie Regionalität, steht sie bei vielen Menschen hoch im Kurs. Das merkt er auch bei seinem Hofladen, den die Familie seit 2004 betreibt und in dem das Angebot kontinuierlich ausgebaut wird. Die meisten Produkte stammen vom eigenen Hof, doch man nimmt auch gerne Waren aus dem Mostbaron-Verbund ins Regal.
In dem kleinen Laden, der sich auf der Vorderseite des Hofes befindet, wird man geradezu überschwemmt mit kulinarischen Angeboten. Hier stehen die Säfte und Obstweine (Most), dort die Aufstriche, es gibt sogar eigene Müsliriegel. Alles aus der Region, der Großteil sogar aus eigenem Anbau. Auf dem Reikersdorfer-Hof gibt es Most, Saft und Essig aus Äpfeln und Birnen, es gibt Dörrobst und Zwetschken und vieles mehr.
Die Produzenten dieser wunderbaren Vielfalt sind die rund 150 Bäume, die auf dem Land der Familie stehen. Die meisten von ihnen sind rund 100 Jahre alt und ruhen beschaulich auf den sanften Hügeln. Bis zu 1.000 Kilo Früchte schenkt ein Baum in guten Jahren seinen Besitzern. Bis er seine volle Pracht entfaltet, dauert es dafür eine gewisse Zeit. Gut 50 Jahre Geduld müsse man schon mitbringen, sagt der Obstbauer.
Technische Innovation am Generationen-Hof
Gesammelt wird das vom Baum gefallene Obst mit einer speziellen Maschine, die er kürzlich in zweiter Ausführung an den Hof geliefert bekommen hat. Die nagelneue Obstraupe von Organic Tools ist sowas wie ein Schmuckstück in der weitläufigen Sammlung an Gerätschaften, die er zum Betrieb seiner Landwirtschaft benötigt. Und das hat einen guten Grund, denn sie steht am Anfang eines ganz besonderen Kreislaufes.
Früher hat man die Äpfel und Birnen mit Geräten gesammelt, die das Obst mit spitzen Stacheln regelrecht aufgespießt haben. Das führte zu einem schnelleren Anfaulen und weniger nutzbaren Früchten. Mit dem Akku-betriebenen Gerät, wird viel schonender geerntet. Das bedeutet mehr Ertrag und eine noch höhere Qualität. Außerdem können damit auch Zwetschken und Nüsse gesammelt werden. So sieht also der Fortschritt aus, am Generationen-Bauernhof.
Sind die Früchte im Sammelkorb, werden sie gewaschen und gesäubert. Danach werden sie gepresst und der Saft in eigenen Behältern aufgefangen. Was übrig bleibt findet auch eine Verwendung, etwa bei der Fütterung von Tieren auf Nachbarshöfen. Die ausgepressten Reste von Birnen und Äpfel scheinen nicht nur bei Schweinen ein sehr beliebter und überaus gesunder Snack zu sein, berichtet Bauer Reikersdorfer.
Ein perfekter Kreislauf am Hof
Er selbst hat bei sich immer ein paar Schweine und Rinder am Hof, quasi für den Eigenbedarf. Oder den seiner Gäste. Denn bereits seit 1991 betreibt die Familie einen Heurigen, der in den letzten Jahren regelrecht boomt. Dort bekommt man nicht nur den Schnaps und Most aus eigenem Anbau, sondern auch das Fleisch vom Hof. Alles in Maßen, je nachdem was gerade verfügbar ist. Im Gleichklang mit der Natur also.
Zurück zur Mostwerdung: Der Saft gärt zwei bis drei Wochen, dann wird er in Flaschen abgefüllt. Je nach Sorte und Reinheit kostet er zwischen 3 und 8 Euro pro Liter. „Das sind natürlich Preise, die würde ein Handelskonzern dir nie zahlen“, sagt Leopold Reikersdorfer. Wobei, SPAR hätte in der Gegend ein paar Läden, dort würden seine Produkte angeboten – und zwar genau zu dem Preis, den er dafür haben möchte. Geht doch.
Generell hätten die geringen Obstpreise die Fertigung aus Streuobst für die breite Masse unattraktiv gemacht. Es gab aber zudem auch noch eigene „Rodungsprämien“, die den Kahlschlag regelrecht förderten. Viele Bauern hätten daher die Bäume gefällt und die Flächen für den Anbau von Futtermittel für die Schweinemast oder die Milcherzeugung genutzt. „In Wahrheit bräuchten wir Bauern viel mehr Förderung dafür, dass die Bäume stehenbleiben – sie sind ja auch wichtig für die Artenvielfalt“, so der Bauer.
Kein einziges Kilo Pestizide
Recht hat er, denn für die Erzeugung seiner Produkte wird kein einziges Kilo an Pestiziden ausgebracht. Ganz im Gegensatz zu dem, wie in China oder anderswo Obst und Gemüse erzeugt wird. Die Obstbäume hier im Mostviertel und die unberührten saftigen Wiesen rundherum sind dadurch Heimat für allerlei Getier. Und davon profitieren wir am Ende alle, denn das Ökosystem kennt bekanntlich keine Eigentumsgrenzen.
Ein Teil des Mostes bleibt etwas länger in eigens gefertigten Geräten, wo nach einiger Zeit dann Essig entsteht. Auch davon hat der Bauer eine ganze Vielfalt an Sorten entwickelt, wie er stolz präsentiert. Die Nachfrage danach sei groß, ein Umdenken habe begonnen. Wichtig sei aber, dass man den Menschen auch erklärt, worin der Unterschied zwischen den Importwaren und den heimischen Erzeugnissen eigentlich besteht.
Aus manchen Früchten wird auch Dörrobst gemacht, eine eigene Maschine im Obergeschoss vollbringt die Trocknung. Und ein kleiner Rest wird zu Schnaps. Es gibt nichts, was hier nicht verwendet wird, vom Stängel bis zum Innenleben der Früchte, alles hat seinen Nutzen. „Es braucht eine gewisse Kreativität, dann kann man davon leben. Wir wissen, dass wir Glück haben, denn viele andere Bauern müssen nebenbei woanders arbeiten gehen“, sagt er.
Was unser Bewusstsein alles bewirken kann
Kreativität und wohl auch eine gehörige Portion Zusammenhalt, denn Fremdkräfte aus dem Ausland sieht man hier nicht. Vom Großvater bis zum Enkel helfen alle zusammen und halten so den Betrieb am Leben. Importierte Arbeiter, wie man sie aus der Fleischindustrie oder dem Spargelstechen kennt, die gibt’s hier nicht. Sollte mal zu viel Arbeit anfallen, dann hilft man sich in der regionalen Gemeinschaft, sagt Bauer Reikersdorfer.
So einen Zusammenschluss der besonderen Art haben insgesamt 17 Mostbauern im Viertel schon vor Jahren aufgebaut. Die „Mostbarone“ haben sogar eine eigene Währung, mit der man in ihren Hofläden einkaufen kann. Ein bisschen fühlt man sich in eine Idealwelt versetzt, wenn man durch die Wiesen und Maschinenräume des Obstbauern wandert. Doch diese Welt ist ganz real und könnte auch an vielen weiteren Orten etabliert werden.
Die Grundvoraussetzung dafür ist aber nicht nur das Engagement der Bauernfamilien, sondern auch das Bewusstsein bei den Konsumenten. Und eine entsprechende Unterstützung durch die Politik, die letztlich mit Förderungen & Co einen wichtigen Rahmen für die Dynamik in der Landwirtschaft setzt. Es ist ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren. Vielleicht hat die Krise ja dazu beigetragen, dass uns das nun etwas klarer wird.
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