Nicht erst seit der jüngsten Blockade des Suez-Kanals, bei der hunderttausende Schafe auf mehreren europäischen Frachtschiffen tagelang feststeckten, wächst in der Öffentlichkeit die Aufmerksamkeit für die grausamen Schiffstransporte. Auch die tausenden Jungrinder, die sich mehrere Monate lang im Mittelmeer auf Irrfahrt befanden und dann notgeschlachtet werden mussten, haben die Gemüter erhitzt. Hinter dem Horror steckt ein System, wie auch der EU-Abgeordnete Thomas Waitz im oekoreich-Exklusivinterview zeigte.
Weltweit werden schätzungsweise über 2 Milliarden Tiere pro Jahr grenzüberschreitend transportiert. Die UNO geht davon aus, dass bis zu 75 Prozent aller Transporte auf den EU-Raum zurückzuführen sind. Alleine von Europa aus werden jedenfalls Millionen Tiere mit dem Schiff bis nach Nordafrika, in den Nahen Osten und an den Persischen Golf gebracht. Das unterwegs viele von ihnen sterben, ist bereits einkalkuliert – liegt der Marktpreis in den arabischen Ländern doch bis zu zehnmal höher als in der Europäischen Union.
Schwache Gesetze, fehlende Kontrolle und Durchsetzung
Auch in Österreich und Deutschland geborene Kälber finden sich regelmäßig auf den Schiffen wieder. Das liegt einerseits daran, dass männliche Kälber nach wie vor als „Abfall“ einer auf Überschüsse ausgerichteten Milchwirtschaft gesehen werden und daher zum Spottpreis verkauft werden. Rund 50 Euro bringt ein Kalb in Deutschland dem Bauern, wie eine aktuelle und sehr sehenswerte Dokumentation im ZDF zeigt. In der Vergangenheit waren die Preise sogar noch niedriger und ließen die Landwirte regelrecht verzweifeln.
Andererseits ist die Nachfrage nach lebendigen Tieren gerade im arabischen Raum groß, schreiben doch die kulturellen und religiösen Praktiken vor, dass die Tiere „halal“ geschlachtet werden müssen. Das passiert, im Gegensatz zu den Vorschriften in Europa, vor Ort oftmals ohne Betäubung. Ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs hat bereits vor Jahren eindeutig festgehalten, dass die Einhaltung der europäischen Standards bis zum Zielort gilt – in der Praxis ist das jedoch kaum durchsetzbar.
Was es braucht für die Veränderung
Immer mehr Menschen verlangen daher ein Verbot der Lebend-Exporte in Drittstaaten. Die Politik ist gefordert diesem Wunsch der Bevölkerung nachzukommen, entsprechende Diskussionen werden bereits geführt, benötigen aber noch viel mehr Aufmerksamkeit. Den Konsument*innen in Deutschland und Österreich bleibt bis dahin nur beim Konsum von Kalbfleisch auf die Herkunft zu achten und nach regional erzeugtem Fleisch zu verlangen. Doch auch dafür benötigt es mehr Transparenz bei Lebensmitteln. Im Supermarkt genauso wie im Gasthaus.
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