Jedem achten Pflanzenschutzmittel (Pestizid) müsse in Österreich laut einem Rechtsgutachten wegen gesundheits- und umweltschädlicher Nebenwirkungen ab sofort die Zulassung entzogen werden, erklärten Umweltschützer von Global 2000 bei einer Online-Pressekonferenz. Ihr Einsatz trage nämlich maßgeblich zur Verunreinigung von Trink-, Grund- und Flusswasser mit der mutmaßlich fortpflanzungsgefährdenden Chemikalie Trifluoracetat (TFA) bei.
TFA ist Abbauprodukt von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS), die unter anderem in Pflanzenschutzmitteln als Wirk- und Beistoffe verwendet werden (und gehört selbst zu dieser Substanzklasse). Wegen seiner großen Beständigkeit in der Umwelt gilt TFA als "Ewigkeits-Chemikalie", so der Chemiker Helmut Burtscher-Schaden (Global 2000). Man habe die vom österreichischen Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) bereitgestellten Absatzmengen von Pestizidwirkstoffen (aus dem Jahr 2022) detailliert ausgewertet und sei zu dem Schluss gekommen, dass durch ihren Einsatz mehr als 41.000 Kilogramm TFA freigesetzt würden, erklärte er.
Landwirtschaftsminister wird aufgefordert
Die Umweltschützer fanden diese Chemikalie kürzlich in ganz Europa inklusive Österreich im Leitungs- und Mineralwasser, sowie in Flüssen und dem Grundwasser. TFA würde sich demnach in der Umwelt anreichern, erklärten sie. Zudem habe der Pestizid-Hersteller Bayer im Jahr 2021 die EU darüber informiert, dass TFA bei Tieren schwere Missbildungen bei Föten verursacht, sowie die Einstufung der Substanz als "vermutlich reproduktionstoxisch (fortpflanzungsgefährdend, Anm.) beim Menschen" beantragt. "Dieses fortpflanzungsgefährdende Potenzial dürfte [...] schon alleine für sich genommen notwendig machen, bestehende Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln, die TFA freisetzen, zu ändern oder zu widerrufen", schrieb der Jurist Peter Hilpold von der Universität Innsbruck in dem Gutachten.
Die Rechtssicherheit sei durch eine Aufhebung der Zulassung nicht verletzt. In der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung werde darauf hingewiesen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse fortwährend eine Neubewertung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bedingen. Die Produzenten wüssten also spätestens im Genehmigungsverfahren von diesem Geschäftsrisiko. Die Verordnung verpflichte die Mitgliedsstaaten sogar dazu, die Zulassung zu ändern oder aufzuheben, wenn eine Belastung des Grundwassers durch TFA nachgewiesen wird, beziehungsweise sich eine
fortpflanzungsgefährdende Wirkung zeigt. "Global 2000 fordert von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig entsprechend dieser gesetzlichen Vorgaben, sämtliche Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit PFAS-Wirkstoffen mit sofortiger Wirkung aufzuheben", so die Umweltschützer.
Das gesamte Gutachten kann hier nachgelesen werden.
(oekoreich/APA)
In eigener Sache: Wir arbeiten unabhängig von Parteien und Konzernen. Um unseren Fortbestand zu sichern, sind wir auf Abonnent*innen angewiesen. Bitte schließen Sie jetzt ein Abo ab und ermöglichen Sie damit unsere Berichterstattung. Danke!