Bei unserem Besuch ist es windig im „Pipiland“. Der unscheinbare Streifen Land, auf dem mittlerweile über 200 Hühner dauerhaft leben, liegt im östlichsten Winkel von Niederösterreich, ganz nah an der slowakischen Grenze. Dort haben Nina Hofstädter, ihr Mann und einige couragierte Helfer*innen einen ganz besonderen Gnadenhof errichtet. Auch der Bürgermeister von Bad Deutsch-Altenburg ist an dem Tag mit dabei.
Nicht nur in der Gemeinde, sondern in ganz Österreich sollte man auf den „Verein zur Vermittlung ausgedienter Legehennen“, wie das Hühnerparadies offiziell heißt, stolz sein. Denn das erste österreichische Hühnertierheim versorgt verletzte und kranke Hühner, bietet ihnen bis zum Lebensabend eine sichere Unterkunft und vermittelt darüber hinaus tausende Tiere von Bauernhöfen in privaten Besitz. Eine Mammutaufgabe.
Es werden zwar immer wieder Medien auf die heldenhafte und gänzlich ehrenamtliche Arbeit von Nina und ihrem Team aufmerksam, auch Fernsehteams war schon am Gnadenhof und haben berichtet, dennoch fehlt für größere Investitionen, wie etwa für helfende Maschinen, das Geld. Hühner sind eben keine Hunde oder Katzen und offenbar fehlt vielen Menschen auch schlicht das Mitgefühl mit ihnen. Das liegt vermutlich auch daran, dass viele gar nichts über Hühner wissen.
Geschundenen Wesen helfen
Denn wer sie wirklich kennt, der schätzt sie. Hühner sind ausgesprochen kluge und soziale Wesen, mit bunten Persönlichkeiten und einer auch optischen Vielfalt, die ihresgleichen sucht. All das wissen aber die wenigsten Menschen und daher haben sich Nina und ihr Verein zum Ziel gesetzt, die Öffentlichkeit auch zu informieren. So gut das eben neben der eigentlichen Aufgabe, der Versorgung und Vermittlung der Tiere, noch geht.
Wir waren vor kurzem zu Besuch im „Pipiland“ und haben mit Nina über ihre Motivation, ihre Herausforderungen und ihre Wünsche gesprochen. Und wir haben uns entschlossen eine Sammlung für diesen besonderen Gnadenhof ins Leben zu rufen und hoffen, dass sich möglichst viele Menschen daran beteiligen. Jeder Beitrag hilft dabei den Hühnern zu helfen und den geschundenen Wesen ein zweites Leben zu ermöglichen.
oekoreich: Ein Gnadenhof für Hühner – wie kommt man auf die Idee?
Der Verein „Rette (d)ein Huhn“ wurde von mir, Nina Hofstädter, im Jahr 2013 gegründet. Ich arbeitete damals als Redakteurin für ein Magazin und hatte Gelegenheit für eine Reportage einen Blick hinter die Kulissen der Eierproduzenten zu Blicken. Das, was ich dort gesehen habe – die unglaubliche Anzahl an Hennen, der Stress und die beklemmende Enge im Stall – hat mich von diesem Tag an nicht mehr losgelassen.
Ich wollte und musste etwas tun, um diesen Nutztieren, die bis dato in Österreich noch keine Lobby hatten, eine Stimme zu geben. Mit dem Wissen, dass Legehennen nach ca. 17 Monaten geschlachtet werden, da die Legeleistung als Produktionsmaschine in diesem Alter sukzessive nachlässt, und der Tatsache, dass die österreichischen Konsumenten keine Vorstellungen über die Produktionsbedingungen in der Hühnerindustrie haben, entstanden erste Konzepte: Zu Beginn der Tätigkeit des Vereins stand die Vermittlung von ausgedienten Legehennen.
Mit einem kleinen, motivierten Team aus neugewonnenen Mitgliedern organisierte ich erste Ausstallungen. Wir überzeugten Landwirte, dass sie ihren Hennen nach geleisteter Arbeit einen glücklichen Lebensabend bei privaten Hobbyhaltern ermöglichen können – und die Überzeugungsarbeit zeigte ihre Wirkung. Danach kam das Tierheim dazu.
oekoreich: Wie viele Tiere beheimatet Ihr aktuell, wie viele vermittelt Ihr pro Jahr?
Mittlerweile werden über 200 geflügelte Tiere auf dem Gnadenhof betreut. Wir betreuen nicht ausschließlich Hühner, auch Enten und Gänse sind bei uns willkommen. Das Tierheim verfügt über eine Fläche von ca. 4.000 Quadratmeter und mehrere abgetrennte Bereiche mit jeweils wetterfesten Ställen, in denen harmonierende Hühnergruppen gehalten werden.
Wir haben eigene Bereiche für behinderte Hühner und eine eigene Krankenstation, in der wir akute Fälle intensiv betreuen können. Außerdem befindet sich auf dem Gelände eine Quarantänestation für Neuankömmlinge. Das alles bedeutet natürlich sehr viel – vor allem körperliche – Arbeit. Wir vermitteln im Jahr ca. 2.000 bis 4.000 Hennen und auch Hähne.
oekoreich: Woher stammen die Tiere?
Diese Tiere stammen aus der Eierindustrie, aus behördlichen Beschlagnahmungen sowie aus Aussetzungen und Abgaben. Im Bereich der Eierindustrie, aus der die meisten vermittelten Hühner kommen, arbeiten wir mit mehreren Landwirten zusammen. Wichtig für diese Zusammenarbeit ist gegenseitiges Vertrauen. Wir verurteilen nicht, sondern zeigen den Betrieben Möglichkeiten auf, ihren Hennen ein würdiges Lebensende zu ermöglichen. Die Landwirte verzichten auf den zusätzlichen Erlös, den die Schlachtung mit sich bringen würde und gewähren uns Zutritt zu den Betrieben, um die Hennen in ein besseres Leben zu bringen.
Die zeitnahe Vermittlung der Hennen an Privatleute wird über Anmeldemöglichkeiten über unsere Homepage organisiert. Die Verteilung findet mit Mithilfe unserer ehrenamtlichen Ausstallungshelfer meistens an mehreren Abholstationen, auf unserem Gnadenhof oder direkt beim Bauern statt. All das in enger Kooperation mit den Amtstierärzten, um eine gesetzeskonforme Abwicklung zu gewährleisten. (Hygienevorschriften, Tiertransportgesetz, ect.)
oekoreich: Ihr habt auch ehemalige „Kampfhähne“ bei Euch. Wo gibt es solche Kämpfe noch?
Ja einige leben bei uns. Sie kommen ursprünglich hauptsächlich aus den umliegenden Nachbarländern, wo sie als Statussymbol gehalten werden und die Kämpfe mit ihnen leider noch gang und gäbe sind. Manchmal haben wir die Chance solche Tiere zu übernehmen und zu resozialisieren. Oft sind es auch behinderte Tiere, die niemand brauchen kann, die so zu uns kommen.
oekoreich: Sind die Hühner in der Lage Euch etwas emotional zurückzugeben, oder ist das ganz anders als bei Hunden und Katzen?
Ja natürlich! Es ist anders als bei Hunden und Katzen, da nur die wenigsten echte Schmuser sind, aber wenn man sieht, wie sie sich nach einem Jahr in der industriellen Enge und dem Stress unter tausenden Hühnern leben zu müssen entwickeln, geht einem das Herz auf. Von einem nackten, ängstlichen Häufchen Elend zu einer stolzen, wunderschönen Henne zu werden, die ihr Leben lebt und glücklich ist, ohne Stress einfach nur Huhn sein zu dürfen, ist wundervoll.
Und die Hühner, die es am schlimmsten erwischt hatte, sind meistens die zutraulichsten. Neugierig, aufgeschlossen und oft auch frech. Nach einem stressigen Arbeitstag einfach die Hühner in ihrem Tun zu beobachten ist Entspannung pur. Das kann man schlecht beschreiben, wie der Alltag da von einem abfällt, man muss es einmal selbst erlebt haben.
oekoreich: Wie finanziert Ihr Euch? Wer bewältigt die ganze Arbeit?
Um unsere Arbeit finanzieren zu können, sind wir zu 100% auf Spenden angewiesen. Wir lukrieren diese Spenden auf unterschiedliche Art und Weise:
· Der Verein bietet Hühnerpatenschaften an, die entweder für bestimmte Hennen oder über eine allgemeine Patenschaft bestellt werden können.
· Der Verein bittet um Spenden, wenn wir die Hennen nach der Abholung aus den Betrieben vermitteln.
· Der Verein bringt einen Hühnerkalender – den „Pipirelli“ – heraus, dessen Erlös zur Gänze ins Tierheim fließt.
Ich bin sehr stolz auf das, was wir seit Gründung unseres Vereins erreicht haben – sowohl für die Hühner selbst, als auch durch die Bewusstseinsschaffung in der Öffentlichkeit. Wir bewerkstelligen das Tierheim ja ehrenamtlich neben unseren Jobs zu dritt. Mein Mann und ich, sowie unsere Tierpflegerin. Für die Administration gibt es zusätzlich unsere Kassiererin und unsere Schriftführerin.
Aber langsam knabbert bei uns das Alter schon ganz schön. Mein Mann hat Bandscheibenprobleme und das hilft beim Futtersackschleppen und ausmisten auch nicht unbedingt. Da könnten wir echt etwas maschinelle Unterstützung brauchen. Unser oberstes Ziel ist es, auch weiterhin gute Arbeit zu leisten und für das Wohl dieser liebenswerten Federtiere eintreten zu können, auch wenn es seit Jahren heißt: Kein freier Tag, kein Urlaub und TÄGLICH zur Dämmerung alle Tiere in ihre sicheren Stallungen zu bringen. DAS ist es wert!
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