Stefan Kaineder ist oberösterreichischer Landesrat für Klima und Umwelt und auch als Privatperson ein großer Befürworter von mehr Tierwohl, Naturschutz und Stärkung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Der Unterstützer des erfolgreichen Tierschutzvolksbegehrens tritt für eine verpflichtenden Kennzeichnung bei Lebensmitteln ein, auch in der Gastronomie, und kämpft gegen Bodenversiegelung und übermäßigen Pestizideinsatz. Außerdem spricht er sich für ein Lieferkettengesetz aus.
Mit oekoreich hat er exklusiv über seine wichtigsten politischen Anliegen gesprochen und über das, was bislang in der Regierungsarbeit in Oberösterreich noch nicht genügend Aufmerksamkeit erfahren hat. Aber auch darüber, was er in der nächsten Amtsperiode als Landesrat noch alles umsetzen möchte, wenn ihm die Wählerinnen und Wähler am 26. September 2021 bei den Landtagswahlen erneut das Vertrauen schenken. Ein offenes und direktes Gespräch über die Perspektiven des Stefan Kaineder.
oekoreich: Sie gelten als starker Befürworter der verpflichtenden Kennzeichnung von Lebensmitteln nach Herkunft & Haltung – wieso ist Ihnen das so wichtig?
Alle Menschen sollen die Möglichkeit haben zu erfahren, woher ein Lebensmittel kommt und wie es hergestellt wurde. Bei einem tierischen Lebensmittel beinhaltet das auch, wie das Tier gehalten und gegebenenfalls geschlachtet wurde. Nur bei einer ausreichenden Lebensmittel-Kennzeichnung können Konsument*innen eine bewusste Entscheidung für mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz beim Essen treffen. Diese Kennzeichnung von Lebensmitteln brauchen wir nicht nur im Handel sondern auch in der Gastronomie.
oekoreich: Wie sieht es in den oberösterreichischen Landesküchen aus, alles schon regional, saisonal und biologisch?
Leider noch nicht. Pro Jahr geben die Küchen des Landes Oberösterreich rund 1,3 Millionen Mahlzeiten aus bei einem Wareneinsatz von gut 4,6 Millionen Euro. Aktuell liegt der Anteil regionaler Lebensmittel (aus Österreich) bei knapp über 60 Prozent, der Anteil biologischer Lebensmittel bei rund 27 Prozent. Mein Anliegen ist, diese Anteile in den oberösterreichischen Landesschulen, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen deutlich zu steigern, denn die öffentliche Hand ist hier Vorbild für die gesamte Gesellschaft.
oekoreich: Die Landwirtschaft ist im Umbruch, wie werden die zu erwartenden Umwälzungen die oberösterreichische Landwirtschaft verändern?
Viele Entwicklungen in der Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte sehe ich sehr kritisch, insbesondere die zunehmende Intensivierung der Flächenbewirtschaftung und Tierhaltung sowie den Einsatz von chemisch-synthetischen Düngemitteln und Pestiziden. Wir Grüne engagieren uns seit Jahren auf EU-, nationaler und Landes-Ebene dafür, dass rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen verändert werden. Der Fokus muss auf Qualität und Nachhaltigkeit statt Quantität und Billigware liegen! Die Zukunft der heimischen Landwirtschaft liegt in einer engen Partnerschaft der bäuerlichen Betriebe mit bewussten Konsument*innen. Die aktuelle EU-Agrarreform enthält ein paar Verbesserungen in diese Richtung, sollte aber noch viel ambitionierter im Sinne des Klima-, Umwelt- und Tierschutzes sein.
oekoreich: Der Lebensmittelhandel feiert Rekordgewinne, die Einkünfte der Landwirte stagnieren. Was kann und sollte die Politik da machen?
Dazu müssen viele Stellschrauben verändert werden. Eine davon ist die verpflichtende Kennzeichnung von Lebensmitteln nach Herkunft und Haltung in allen Produkt-Bereichen einschließlich der verarbeiteten Lebensmittel. Darüber hinaus braucht es Anreize, um Alternativen wie die regionale Direktvermarktung sowie Bündnisse zwischen Landwirt*innen und Konsument*innen in Städten und Gemeinden auszubauen. Wir müssen die Kooperationen der bäuerlichen Betriebe stärken und ihnen mehr Verhandlungsmacht gegenüber den großen Handelskonzernen verleihen.
oekoreich: Sie waren ein großer Fürsprecher des erfolgreichen Tierschutzvolksbegehrens. Gibt’s aus Ihrer Sicht genug Tempo in der Frage?
Ich wünsche mir, dass wir schneller größere Fortschritte bei den zahlreichen wichtigen Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens machen. Die Widerstände seitens verschiedener Interessenvertretungen sind aber enorm. Tierschutzminister Mückstein hat angekündigt, mit den NGOs und allen Parteien zu sprechen, damit im Herbst ein gutes Tierschutzpaket beschlossen werden kann. Schon jetzt zeichnen sich erste konkrete Verbesserungen ab. So wird gerade intensiv an Details inklusive Übergangszeiträumen für einen Ausstieg aus der unsäglichen Vollspaltenbodenhaltung von Schweinen verhandelt.
oekoreich: Eines Ihrer Steckenpferde ist der Kampf gegen die Bodenversiegelung. Wie ist da die Lage in Oberösterreich?
Die Situation ist alarmierend. In Oberösterreich werden täglich 2,2 Hektar Boden für Straßen und Gebäude umgewidmet, 0,9 Hektar davon werden in der Folge versiegelt. Dadurch verlieren wir wertvolles Acker- und Grünland und schwächen den Hochwasserschutz. ÖVP und FPÖ haben letztes Jahr mit einem zahnlosen Landes-Raumordnungsgesetz reagiert, das unseren Boden nicht ansatzweise schützt. Genau das wollen wir ändern, mit ganz klaren Regeln:
· Wo unser Essen wächst, wird nicht mehr gebaut: Die besten Agrarflächen müssen gesetzlich geschützt werden und für Bauvorhaben tabu sein.
· Gleiches gilt für die Grünflächen, Wildtierkorridore und Erholungsgebiete der Menschen. Diese Gebiete müssen in einem landesweiten Grünzonenplan verankert und vor Verbauung gesetzlich geschützt werden.
· Kein Einkaufszentrum mehr auf der grünen Wiese: Österreich hat schon jetzt eine der höchsten Einkaufsflächen/Kopf. Gleichzeitig veröden die Ortskerne. Es gilt die Bedarfsnachweise für die Ansiedlung neuer Verbrauchermärkte deutlich zu verschärfen.
· Parken auf oder unter Firmen und Einkaufszentren: Die Parkplätze bei Supermärkten und Großbetrieben verschwenden zügellos Grünland. Wenn solche Betriebe künftig gebaut werden, darf es ab einer bestimmten Größe nur mehr Hoch- oder Tiefgaragen geben.
oekoreich: Sie unterstützen die Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz. Davon würde auch die heimische Industrie profitieren, die im internationalen Vergleich schon weit vorne ist. Ein Widerspruch zum Klimaschutz?
Im Gegenteil! Lieferkettengesetz und Klimaschutz sehe ich als Symbiose. Es ist höchst an der Zeit, Klimaschutzmaßnahmen und faire Handelspolitik global zu betrachten und Anreize zu setzen, die weltweit wirken. Es braucht also sowohl Transparenz bei den Lieferketten der Firmen und deren Haftung, wenn sie gegen Sozial- und Umweltstandards verstoßen. Wir befürworten die Einführung eines begleitenden CO2-Grenzausgleichssystems, also einen CO2-Preis für Einfuhren bestimmter Produkte, wenn diese mit schlechteren Klimaschutzstandards als in der EU erzeugt werden.
Damit können wir verhindern, dass eine ehrgeizige Klimapolitik in Europa und Österreich dazu führt, dass CO2-intensive Produktion aus Europa abwandert und damit die Treibhausgas-Emissionen lediglich verlagert werden. Das hat ja keinen Sinn! Außerdem können wir auf diese Weise Industrieunternehmen in Drittländern dazu motivieren, klimafreundliche Schritte in dieselbe Richtung wie die EU und Österreich zu unternehmen.
Stefan Kaineder wurde 1985 in Linz geboren. Der studierte Theologe war im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig, bevor er hauptberuflich in die Politik einstieg. Neben seinem Wirken als Gemeinderat in der Heimatgemeinde Dietach bei Steyr war er Abgeordneter zum oberösterreichischen Landtag. Seit 2020 ist er Landesrat in Oberösterreich, außerdem ist er stellvertetender Bundesvorsitzender der Grünen. Kaineder ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Mehr Infos zu seiner Person und seinen politischen Positionen gibts hier.
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