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Skandal: Grausame Zustände in bulgarischer IKEA-Textilfabrik aufgedeckt

Nur wenige Wochen nach den Protesten gegen IKEA wegen Vorwürfen der illegalen Abholzung, wird nun Kritik an den Arbeitsbedingungen in Bulgarien laut.

9/27/2021
  • International
  • Umwelt
  • Österreich
Skandal: Grausame Zustände in bulgarischer IKEA-Textilfabrik aufgedeckt

Nur wenige Wochen ist es her, da stand die Bürger*innen-Initiative für ein Lieferkettengesetz gemeinsam mit ihren Partnern von der rumänischen Organisation „Agent Green“ vor der neuen IKEA-Filiale beim Wiener Westbahnhof. Diese war wochenlang damit beworben worden, dass sie besonders „ökologisch“ sei, immerhin würden sogar große Bäume in überdimensionalen Töpfen in der Fassade des Gebäudes stehen.

Unter dem Motto „Außen hui, innen pfui“ wurde die von langer Hand geplante Nachhaltigkeits-Inszenierung des schwedischen Möbelkonzerns durchkreuzt und stattdessen die Besucher*innen über die Abholzung von IKEA in rumänischen Urwäldern aufmerksam gemacht. Das schlug hohe Wellen, sogar in Großbritannien berichtete die BBC von den Protesten, das Greenwashing war ordentlich nach hinten losgegangen.

IKEA zögert, Initiativen vernetzen sich

IKEA lud noch am gleichen Tag die Vertreter*innen der Bürger*innen-Initiative zu einem Gespräch, das bald danach stattfand. Dabei wurde dem Konzern ein „professioneller Dialog“ angeboten, denn am Ende geht’s beim Lieferkettengesetz um die Transformation der Wirtschaft. Das kann nur gelingen, wenn Unternehmen, Konsument*innen und Bürger*innen im Dialog bleiben und gemeinsam nach Veränderung streben.

Passiert ist diesbezüglich leider seither nichts, noch immer wartet man auf die Entscheidung von IKEA, ob sich der Konzern nun auf diesen Veränderungsprozess einlassen möchte oder doch weiter dem Greenwashing frönt. Zeitgleich haben die Bürger*innen-Initiative aber gleich aus mehreren Ländern verschiedene Aktivist*innen und Arbeiter*innen kontaktiert, die von groben Problemen in der Produktion von IKEA-Waren berichten.

Miserable Bedingungen in der Produktion

Denn während der international tätige Konzernriese in Österreich auf ein nachhaltiges, soziales und sauberes Image setzt, sieht es in der Herstellung in den Niedriglohnländern, aus denen IKEA seine Einrichtungsgegenstände bezieht, ganz anders aus. Initiativen-Sprecherin Veronika Bohrn Mena hat sich dazu kürzlich mit dem Ö1-Europajournal über die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in Bulgarien unterhalten.

Aktuellen Berichten zufolge werden In der Trojaner Fabrik „Kalinell“ in Zentralbulgarien für den Holzgiganten IKEA unter anderem Sofabezüge, Pölster und Bettdecken produziert. Rund drei Viertel der dort erzeugten Textilien werden exklusiv an den schwedischen Möbelriesen geliefert, der geringe Rest wird von Handelskonzernen wie Lidl oder Metro aufgekauft und bei uns als besonders billige Aktionsware gehandelt.

Dumpingpreise und Dumpinglöhne

Diese Dumpingpreise bei uns sind nur möglich, weil die Arbeiter*innen in Bulgarien mit Dumpinglöhnen abgespeist werden. Erst im März letzten Jahres wurden allen Arbeiter*innen die ohnehin mehr als kärglichen Gehälter gekürzt. Von 500 Euro auf nur noch 400 Euro monatlich. Die Näher*innen, zumeist jüngere Frauen, müssen mindestens 2000 Pölster pro Tag herstellen, damit die Fabrik alle Aufträge abarbeiten kann.

Schnell wie eine Maschine müssen sie sein, dabei aber trotzdem sehr vorsichtig, berichten die Arbeiter*innen, weil man sich mit den schweren Geräten auch leicht verletzen kann. Wer nicht schnell genug arbeitet muss gehen, ältere Kolleg*innen können mit dem Tempo in der Regel nicht mehr mithalten. Denn die Arbeit ist unfassbar anstrengend, bei 45 Grad gleißender Hitze, müssen sie die dicken Bettdecken nähen und verpacken.

Katastrophale Zustände: Menschen kollabieren

Die Luft in dem Werk ist so schlecht, dass man kaum atmen kann, denn es gibt weder eine Klimaanlage noch eine vernünftige Lüftung. „Vor meinen Augen sind Kolleginnen in Ohnmacht gefallen, mehrmals haben wir die Geschäftsleitung alarmiert, aber es hat sich dadurch nichts geändert“ berichtet ein ehemaliger frustrierter Arbeiter, der es in der Fabrik nicht mehr ausgehalten hat, der Journalistin des Ö1-Europajournals.

Die Menschen in Bulgarien und auch andere Europäer*innen wollen den furchtbaren Job in der Textilfabrik nun nicht länger machen. Deswegen holt das Unternehmen seit letztem Jahr nur noch Drittstaats-Angehörige aus Asien für die Arbeit nach Bulgarien. Und so schlecht wie sie bezahlt werden, werden sie Berichten zufolge auch untergebracht. Sie schlafen in einem schäbigen Wohnheim im Hinterhof eines alten Fabrikgebäudes.

Furchtbare Unterbringung für Drittstaats-Angehörige

In einem heruntergekommenen Raum, der zugleich Küche und Waschsalon ist, hausen demnach 30 Arbeiter*innen aus Kirgisistan, Bangladesch und Vietnam. Es ist laut, die Arbeiter*innen haben nur eine Stunde Pause und müssen in dieser Zeit im Gemeinschaftsraum auch ihre Wäsche waschen, bevor sie sich abwechseln. Wenn sie es in dieser Zeit nicht schaffen, bleibt ihre Wäsche schmutzig und ihre Bäuche leer.

Laut bulgarischem Gewerkschaftsbund „Zitup“ wird zwar in der Öffentlichkeit gezielt verbreitet, dass die Fabrik in Bulgarien als Vorzeigeunternehmen gilt, selbst kontrollieren könne das die Gewerkschaft aber nicht. Denn von der Fabriksleitung werden alle Gesprächsanfragen ignoriert und Journalist*innen oder Gewerkschafter*innen werden grundsätzlich nicht aufs Gelände gelassen.

Millionen für faire Preise, statt „grünes“ Marketing

Gerade weil IKEA in Österreich sich in seiner Öffentlichkeitsarbeit so auf die Erzeugung eines grünen, nachhaltigen und sozialen Images fokussiert, wäre es umso wichtiger, die realen Produktionsbedingungen aufzuzeigen, so Sprecherin Veronika Bohrn Mena von der Bürger*innen-Initiative für ein Lieferkettengesetz. Statt Selbstlob, müssen die Missstände bei der Erzeugung der IKEA-Waren offengelegt werden.

Statt Millionen in Werbung zu stecken, sollte der Konzern seinen Zulieferern endlich Preise bezahlen, mit denen seine Waren einigermaßen anständig und menschenwürdig hergestellt werden können“ fordert Veronika Bohrn Mena. Mit den Vorwürfen konfrontiert, antwortet IKEA in einer nichtssagenden Stellungnahme gegenüber Ö1, dass es für das Unternehmen allerhöchste Priorität wäre, sichere und faire Arbeitsplätze zu schaffen.

Laut bulgarischer Gewerkschaft wird zwar sehr auf die Kapazitäten der Maschinen, nicht aber auf die Bedürfnisse der Arbeiter*innen geachtet. Ohne ein Lieferkettengesetz, dass Konzerne wie IKEA zu Transparenz & Verantwortung zwingt, werden Profite weiter an erster und Menschen und die Umwelt an letzter Stelle stehen. Dass IKEA freiwillig nicht hält, was sein teures Marketing verspricht, hat der Konzern damit erneut bewiesen.


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