Der schwedische Möbel-Gigant IKEA hat mit einem veritablen Skandal zu kämpfen. Wie Recherchen des ARD-Magazins „Kontraste“ zeigt, hat sich ein wichtiger Zulieferer des Konzerns über Jahre an Holz aus illegalen Rodungen bedient. Alleine im Jahr 2020 lieferte dieser mehr als zwei Millionen Produkte an IKEA, darunter Kindermöbel, die aus Holz gefertigt wurden, das besonders geschützten Waldflächen entstammen sollen.
Gerade in Zeiten des sich nahezu täglich verschärfenden Artensterbens und der Klimakrise, ist es für ein global agierendes Unternehmen, das überwiegend mit Produkten aus Holz handelt, von besonderer Wichtigkeit sich im Bereich der Nachhaltigkeit & Ökologie glaubwürdig zu positionieren. IKEA versucht das mit dem FSC-Standard, der Mitgliedschaft im „Forest Stewardship Council“, einer Zertifizierung für nachhaltiges Holz.
Kritik am FSC-Standard
Das Unternehmen mit Sitz in Bonn wurde 1993 gegründet und zählt heute über 1.000 Mitglieder. Sein Hauptziel besteht darin eine nachhaltige Forstwirtschaft zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden große Waldflächen unter eine an bestimmten Kriterien ausgerichtete Bewirtschaftung gestellt und Forstbetriebe sowie ihre Produkte zertifiziert. Doch die Zertifizierung ist umstritten und wird mittlerweile breit abgelehnt.
So hat Greenpeace seine Mitgliedschaft beim FSC im Jahr 2018 beendet, obwohl es dieses sogar mitgegründet hatte. Hauptkritikpunkt beim Ausstieg war die mangelnde Transparenz, demnach würden etwa keine digitalen Karten zur Verfügung stehen, auch Rechnungsprüfberichte würden nicht öffentlich zugänglich gemacht werden. Eine Entscheidung, die sich nach heutigem Erkenntnisstand offenbar als goldrichtig erwies.
Auch „Friends of Earth“, ein internationaler Zusammenschluss von Umweltschutzorganisationen aus 76 Ländern, empfiehlt den FSC-Standard nicht mehr, da es zu viele umstrittene Zertifizierungen geben würde. Bei aller Kritik sind sich die NGOs aber einig, dass die FSC-Zertifikate nach wie vor den am wenigsten unglaubwürdigen Standard abbilden. Keine echte Auszeichnung, aber zumindest eine Form der Anerkennung.
Der konkrete Fall
Einen „riesigen Abholzungsskandal“ nennt Sam Lawson, Direktor der NGO Earthsight, die Erkenntnisse ihrer Untersuchungen zu IKEA. Die indonesische Zuliefer-Firma „PT Karya Sutarindo“, einer der größten Hersteller von Möbeln für den schwedischen Konzern, liefert Produkte aus Kiefernholz. Dieses Holz importiert das Unternehmen laut vorliegenden Recherchen zumindest zu einem Teil aus Sibirien, von der Firma „Uspekh“.
Diese wiederum kauft ihrerseits das Holz bei lokalen Anbietern zu, etwa beim Unternehmen „Vilis“. Laut Unterlagen soll von diesem deutlich mehr Holz geschlagen worden sein, als von Behörden offiziell genehmigt worden waren. Satellitenbilder zufolge auch in besonders geschützten Wäldern, weswegen es mehrfach gerichtliche Ahndungen gab. Letztlich wurde dem Betreiber des Unternehmens die Lizenz entzogen.
Doch es dürften hunderttausende Möbel in europäischen Kinderzimmern stehen, die aus diesem illegal gerodeten Urwaldholz stammen. Der Schaden ist angerichtet, der Profit wurde bereits gemacht. Nach der Aufdeckung bleibt nur die Hoffnung, dass es künftig anders laufen wird. Dazu muss aber zunächst das Problembewusstsein dafür geschärft werden, wo und was alles schiefgelaufen ist, um andere Fälle zu verhindern.
Wieso passierte das bei IKEA?
Kritisiert wird, dass zwar die gesamte gegenständliche Holz-Lieferkette über „FSC“-Zertifikate verfügte, aber offenbar niemandem der Betrug auffiel. Von den Firmen „Vilis“ über „Uspekh“ und „PT Karya Sutarindo“ bis hin zu den Zertifizierungsstellen und natürlich am Ende IKEA. Obwohl Gerichtsurteile vorlagen, wurden keine Konsequenzen gezogen. Für Expert*innen das Symptom eines systemischen Problems mit dem FSC-Gütesiegel.
Zurück bleibt die Frage, wieso ein Gigant wie IKEA offenbar nicht in der Lage ist für hinreichende Kontrolle in den eigenen Lieferketten zu sorgen. IKEA ist das global größte Unternehmen im Möbeleinzelhandel und macht jährlich alleine in Deutschland über 5 Milliarden Euro Umsatz, weltweit waren es zuletzt über 37 Milliarden Euro. Dass das Geschäft nach wie vor hochprofitabel ist, zeigt ein Blick auf den Gewinn: Über 1 Milliarden Euro an Reingewinn konnten zuletzt erwirtschaftet werden.
Freiwilligkeit funktioniert nicht
Man möchte also davon ausgehen, dass hier genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um ein wirkungsvolles Lieferketten-Management im Konzern zu implementieren. Hätte es ein solches gegeben, dann wäre der Missbrauch im FSC-System wohl früher erkannt worden. Auch wenn FSC und IKEA selbst nun Veränderungen geloben, bei den Konsument*innen bleibt der schlechte Eindruck, dass Konzerne ihrer großen Verantwortung nicht nachkommen. Ein weiteres Beispiel dafür, wieso es ein Lieferkettengesetz braucht.
Dieses würde große Unternehmen wie IKEA dazu zwingen ihre globalen Lieferketten nicht nur transparent zu dokumentieren, sondern auch präventiv Maßnahmen zu ergreifen, um Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards zu verhindern. Wie man sieht ist das hochnotwendig, denn auf Basis von Freiwilligkeit und ineffizienter Gütesiegel-Systeme wird man dem Raubbau nicht begegnen können.
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