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Kinderarbeit: Die kleinen Rädchen in der globalen Textilindustrie

Was haben der Weltkindertag und "Black Friday" miteinander zu tun? Mehr, als man auf den ersten Blick meinen mag.

11/22/2022
  • Österreich
  • International
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  • Textilien
  • Konsumentenschutz
Kinderarbeit: Die kleinen Rädchen in der globalen Textilindustrie

Es sind zwei Tage, die im Kalender dieses Jahr besonders nahe beieinander liegen und auch inhaltlich einiges gemeinsam haben – auch wenn das auf den ersten Blick nicht so wirken mag. Die Rede ist einerseits vom Internationalen Tag der Kinderrechte, er wurde am 20. November begangen, und andererseits vom „Black Friday“, der diesmal auf den 25. November fällt. Die zeitliche Nähe lädt dazu ein Zusammenhänge aufzuzeigen.

Gedenktag und Shoppingtag

Am internationalen „Weltkindertag“ wird der Annahme der UN-Kinderrechtskonvention durch die UN-Vollversammlung im Jahr 1989 gedacht, einem wichtigen Rahmenwerk auf supranationaler Ebene, zur Stärkung der Rechte von Kindern. Der „Black Friday“ wiederum ist ein Shopping-Tag aus den USA, der traditionell nach „Thanks Giving“ als Kaufrausch gefeiert wird und sich seit einigen Jahren auch in Europa durchsetzt.

Was haben die beiden Tage miteinander zu tun? Viel. Denn am schwarzen Freitag wird massenhaft Ware zu Spottpreisen verschleudert, die unter fragwürdigen Umständen produziert wurde. Dazu gehören elektronische Geräte genauso wie Textilien. Auf diesen Umstand hat kürzlich die Gemeinwohlstiftung COMÚN aufmerksam gemacht, die auch Trägerin der österreichischen Initiative für ein Lieferkettengesetz ist.

Immer mehr Kinder werden ausgebeutet

Denn die Anzahl der Kinder, die weltweit unter oftmals katastrophalen Bedingungen arbeiten müssen, hat in den letzten Jahren, insbesondere während der Corona-Pandemie, weiter zugenommen. Weltweit müssen aktuell über 160 Millionen Kinder im Alter zwischen 5 und 17 Jahren arbeiten. Kinderarbeit betrifft also fast jedes zehnte Kind weltweit, in den letzten Jahren sind fast 10 Millionen Kinder neu dazugekommen.

Über 70 Prozent von ihnen arbeiten in der Landwirtschaft, wo sie neben Kakao, Kaffee, Palmöl und Zucker, auch die Baumwolle für unsere Kleidung ernten, etwa in afrikanischen Ländern. Weitere 10 Prozent der Kinder arbeiten in der Industrie, ein großer Teil davon in Nähfabriken für Kleidung, diese stehen vor allem in der Türkei und in Südostasien. Die Textilien aus diesen Fabriken landen oft unerkannt im heimischen Handel.

Keine „Einzelfälle“ sondern ein System

Auch auf den üppigen Wühltischen der Kleidungsgeschäfte am „Black Friday“-Aktionstag. Den Kindern wird nicht nur Ausbildungszeit gestohlen, es wird auch ihre Gesundheit gefährdet. Denn auf den Feldern und in den Fabriken kommen sie mit giftigen Chemikalien und Pestiziden in Kontakt. Und immer wieder kommt es wegen baulicher Mängel und katastrophalen Sicherheitsbedingungen auch zu Bränden und Einstürzen in Fabriken.

Dass es sich dabei nicht um „Einzelfälle“ handelt, sondern die ganze Textilbranche ein systemisches Problem mit Kinderarbeit hat, das zeigen zahlreiche Berichte. Und in den letzten Jahren hat sich, dem Trend zu „Fast Fashion“ geschuldet, die Lage nicht verbessert – ganz im Gegenteil. Immer schneller werden Kollektionen aus billigsten Materialen etwa in China kreiert und dann in Schiffen um die halbe Welt geschickt.

Ein EU-Importverbot könnte Abhilfe schaffen

Dabei werden ganze Heerscharen an Verlierern produziert, darunter vor allem die Kinder. Doch auch die Tiere und die Natur gehören zu den größten Verlieren in dieser Industrie, die für einige wenige Konzerne wie H&M, ZARA & Co hochprofitabel ist. Nach wie vor ist es der Politik in Europa nicht gelungen dem Einhalt zu gebieten, dabei könnten Importbeschränkungen, wie sie auch gefordert werden, dem Einhalt gebieten.

Eine Forderung, die nicht nur im Europäischen Parlament schon vor einem Jahr aufgestellt wurde, im Zuge der Verhandlungen um ein europäisches „Lieferkettengesetz“, sondern auch auf nationaler Ebene immer stärker an Zuspruch gewinnt. So hat sich die Gemeinwohlstiftung COMÚN in mehreren Gesprächen mit Justizministerin Alma Zadic und Wirtschaftsminister Martin Kocher dafür starkgemacht, dass Österreich sich dafür einsetzt.

Die „Konsumdialoge“ widmen sich den Textilien

Doch der Kampf um strengere Gesetze ist nur eine Ebene. Um auch Konsument*innen auf die ökologische und soziale Dimension unserer Textilien aufmerksam zu machen, widmet die Gemeinwohlstiftung COMÚN ihre „Österreichischen Konsumdialoge“ der Herkunft & Erzeugung von Textilien. Sie finden in Zusammenarbeit mit der Modeschule Hallein im Juni 2023 statt, mit der inhaltlichen Gestaltung wurde Expertin Nunu Kaller beauftragt.

Bei den „Konsumdialogen“, die im Mai 2022 mit über 1.600 Teilnehmer*innen zum ersten Mal sehr erfolgreich zum Thema Lebensmittel stattgefunden haben, soll nicht nur die „Fast Fashion“ und der Missbrauch von Kindern kritisch beleuchtet, sondern auch Alternativen vorgestellt werden, etwa innovative Labels und Traditionsunternehmen aus Österreich, die sich der Kreislaufwirtschaft, der Nachhaltigkeit und der fairen Produktion widmen.

Perspektiven aus dem globalen Süden sichtbar machen

Für den Großteil der bei uns verkauften Kleidung werden Kinder ausgebeutet, Wasser vergiftet und die Umwelt im großen Stil nachhaltig zerstört, aber Konzerne machen damit Milliardenprofite. Dagegen müssen wir uns mit einem Lieferkettengesetz wehren, aber vor allem auch das Bewusstsein für die wirtschaftlichen Zusammenhänge schärfen. Mit den Konsumdialogen zum Thema Textilien wollen wir genau das forcieren. Wir laden daher schon jetzt alle Unternehmen und Organisationen ein, mit uns daran zu arbeiten“ sagt Veronika Bohrn Mena, die Vorsitzende der Gemeinwohlstiftung COMÚN.

Bei den Konsumdialogen zum Thema Textilien sollen Konsument*innen in einen Dialog mit Expert*innen und Entscheidungsträger*innen gebracht werden, dazu kommen Aktivist*innen aus dem globalen Süden. So wird es etwa Berichte aus Ländern wie Chile, Kambodscha oder Rumänien geben, bei denen jeweils unterschiedliche Aspekte des globalen Textilindustrie beleuchtet werden. Ziel ist es auch die Zusammenhänge aufzuzeigen.

Es geht auch anders – auch in Österreich

Die systematische Ausbeutung von Kindern durch Fast Fashion muss enden – denn sie basiert einzig und allein auf dem Profitstreben internationaler Modekonzerne, die meinen, Kleidung möglichst billig und möglichst häufig wechselnd in unsere Schränke zu bringen. Es gibt aber viele umwelt- und sozialverträgliche Alternativen in allen Preisklassen, von Second Hand über heimische, faire Produktion bis hin zu Material- und Produktionsinnovationen. Als inhaltliche Leiterin der Konsumdialoge ist mein Anspruch, Vertreter*innen all dieser Bereiche für einen konstruktiven Austausch zusammenzubringen“, so Nunu Kaller, Autorin, Kommunikations- und Nachhaltigkeitsberaterin und die österreichische Expertin für faire und ökologische Mode.

Doch es gibt nicht nur Negativbeispiele im Textilbereich. Gerade in den letzten Jahren haben sich junge Modelabels genauso wie Traditionsunternehmen aus Österreich aufgemacht, mit nachhaltigen Rohstoffen und lokaler Produktion einen Gegentrend zur „Fast Fashion“ zu starten. Durch die Corona-Pandemie kam es zu einem Umdenken in Teilen der Bevölkerung, man hat wieder hinterfragt, woher die Dinge eigentlich stammen.

Der eigene Konsum ist wichtig

Auch wenn wir als Konsument*innen letztlich nur das auswählen können, was uns von den großen Kleidungskonzernen in die Geschäfte gehängt wird, so kann unser Konsum doch auch einen Unterschied machen. Inzwischen gibt es, auch über digitale Plattformen, immer mehr ökologisch und sozial ordentlich produzierte und fair gehandelte Kleidungsstücke und Textilwaren. Wenn man sich ein bisschen auf die Suche macht, dann wird man fündig.

So kann man auch am „Black Friday“ ein gutes Zeichen setzen, wenn man eben nicht dem Aktionscode folgt und dem Shoppingwahn frönt, sondern sich lieber zweimal überlegt, ob man ein Kleidungsstück wirklich braucht. Immerhin landen bis zu 40 Prozent aller Textilien völlig ungetragen wieder auf einer Deponie – oder gleich in der Wüste, wie Aufnahmen aus der chilenischen Atacama zeigen, wo Millionen Kilo Altkleidung abgelagert werden.

Es braucht die Gemeinschaft

Wenn wir an Kinderarbeit, Naturzerstörung und Tierleid in der Textilindustrie was ändern wollen, dann brauchen wir die Kraft der Gemeinschaft. Als Einzelne haben wir die Möglichkeit etwas zu kaufen oder zu boykottieren, aber wir sind nicht nur Konsument*innen. Am Ende sind wir vor allem auch Bürger*innen und damit diejenigen, die entscheiden, nach welchen Spielregeln die Unternehmen zu arbeiten haben.

Gerade dort, wo sie ihren Gewinn machen, in den Einkaufsmeilen der österreichischen Städte also, sollten sie zur Verantwortung gezogen werden. Erst wenn sie Konsequenzen für Kinderarbeit & Co in ihren Lieferketten fürchten müssen, erst dann werden sie beginnen dafür zu sorgen, dass das nicht mehr vorkommt. Damit wir das erreichen, müssen wir für entsprechenden öffentlichen Druck sorgen. Gerade auch an Shopping-„Feiertagen“-.


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