Als das Tierschutzvolksbegehren im Herbst 2018 gestartet wurde, war die Forderung nach einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung noch nicht in aller Munde – mittlerweile steht sie nahezu wöchentlich in den Medien. Die Forderung nach der Transparenz bei Lebensmitteln war ein zentraler Baustein des Programms des Tierschutzvolksbegehrens, weil an ihr so viel hängt. Sie ist tatsächlich ein Schlüssel für eine systemische Veränderung.
Wenn Konsument*innen auf einen Blick erkennen können, woraus Lebensmittel gemacht sind und woher die Zutaten dafür stammen, dann können sie sich auch gegen importierte Tierqual oder Naturzerstörung entscheiden. Ob bei verarbeiteten Produkten im Supermarkt oder bei Speisen in der Gastronomie, erst wenn wirklich draufstehen muss, was tatsächlich drinsteckt, dann gibt es den oft herbeigeredeten „bewussten Konsum“.
Im Herbst 2019 hat es unser Druck von unten bewirkt, der Schulterschluss von Bäuer*innen mit Konsument*innen, dass im Koalitionsübereinkommen zwischen ÖVP und Grünen die Umsetzung dieser Transparenz fix verankert wurde. Und doch wird diese seit über 2 Jahren verhindert – doch von wem und mit welchen Methoden? Wir haben uns das jetzt noch einmal näher angesehen und übersichtlich zusammengefasst.
Transparenz beim Essen: Wer dagegen ist
Für die Landwirte wäre es gut und für die Konsumenten, für die Tiere und für die Umwelt, ja sogar für das Klima und natürlich auch für die Steuerzahler – doch wer hat dann eigentlich was gegen die Herkunftskennzeichnung? Die Antwort ist simpel: All jene, die derzeit noch Geld damit verdienen, dass sie etwas anderes verkaufen, als sie den Kunden vermitteln. Es sind die „schwarzen Schafe“ in der Nahrungsmittelindustrie und in der Gastronomie.
Diese beiden Lobbys sind es auch, die all ihre Macht und ihren Einfluss nutzen, um die Transparenz zu verhindern. Die Nahrungsmittelindustrie will nicht, dass wir die Käfigeier in den Nudeln oder das Qualfleisch in den Fertigprodukten erkennen. Und die Gastronomie will nicht, dass wir schwarz auf weiß dokumentiert haben, dass 90 Prozent des Geflügels aus dem Import stammen, ebenso wie die Mehrheit bei Rindfleisch oder Schweinefleisch.
Der politische Arm dieser Gruppen sitzt in der ÖVP, genauer gesagt im Wirtschaftsbund. Das ist der Wirtschaftsflügel der Kanzlerpartei, der maßgeblich von der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung kontrolliert wird. Ihr Einfluss reicht so weit, dass selbst die ÖVP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, eigentlich den Bauern verpflichtet, sich nicht für eine durchgängige Herkunftskennzeichnung einsetzt. Absurd.
Die „Argumente“ der Gegner
Doch wie argumentieren die Gegner der Transparenz? Welche „Argumente“ bringen sie ein, um zu verhindern, dass wir erfahren, was sie uns auftischen? Es gibt hier mehrere Ansätze. Zunächst behaupten sie, dass die reine Auslobung der Herkunft nichts über die Qualität aussagen würde, weil die Produktionsbedingungen in Österreich genau so wären wie etwa in Deutschland, Polen oder Spanien. Weil wir ja alle Teil der Europäischen Union wären.
Das ist natürlich blanker Unsinn. Dazu zwei Beispiele. Erstens die Eier, die in Österreich nicht mehr in Käfighaltung erzeugt werden dürfen. Österreich ist das einzige Land weltweit, in dem die Käfighaltung in jeder Form verboten ist. In der EU hingegen sind „ausgestaltete Käfige“ nach wie vor erlaubt und kommen auch zum Einsatz, weltweit wird übrigens fast ausschließlich so produziert. Also ein ganz klarer Qualitätsunterschied.
Doch auch bei der Fütterung geht Österreich einen anderen Weg – etwa bei der Erzeugung von Milch. Hier ist verbindlich vorgesehen, dass Milchkühe nicht mit genmanipuliertem Futter – etwa Soja aus dem brasilianischen Regenwald - gefüttert werden dürfen. Das bedeutet, dass man sich als Konsument in Österreich darauf verlassen kann, in Deutschland oder Polen hingegen werden die Milchkühe auch mit Gen-Soja gefüttert.
Die Mär vom Mangel
Das zweite Argument ist, dass die Konsument*innen auch mit einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung keine Rückverfolgbarkeit bis zum bäuerlichen Betrieb hätten. Das stimmt zwar, aber das fordert auch niemand. Den Konsument*innen reicht es ja zu wissen, dass das Fleisch, die Eier oder der Käse aus Österreich stammen. Denn die nationalen Richtlinien gelten ja für Vorarlberg gleichermaßen wie für Niederösterreich.
Eines der wichtigsten „Argumente“ im Kampf gegen die Transparenz ist die Mär, dass die heimische Landwirtschaft nicht genügend anbieten könnte, um den Bedarf in Gastronomie & Co zu decken. Abgesehen davon, dass das nachweislich in den meisten Fällen gar nicht zutrifft, wird sich daran auch niemals was ändern, wenn die Landwirte keine garantierte Abnahme aus dem Inland haben. Nachfrage schafft Angebot heißt hier die Devise.
Will man also erreichen, dass die Ernährungssouveränität gesteigert wird, dann muss man irgendwann damit anfangen sie auch zu fördern. Die Realität ist vielmehr, dass ein steirisches Backhendl aus der Steiermark tatsächlich geringfügig teurer im Einkauf ist als das Qualhuhn aus der Ukraine. Und genau deswegen wird es auch eingekauft, obwohl genügend Angebot verfügbar wäre, wenn man es nur rechtzeitig bestellen würde.
Der Fortschritt passiert dennoch
Und schließlich wird die Bürokratie ins Spiel gebracht. Der Aufwand für die Gastronomie wäre so extrem hoch, sagt die Wirtschaftskammer, das wäre unzumutbar. Dabei unterschlägt sie, dass die Wirte schon jetzt wissen müssen, woher ihre Ware stammt. Denn das regelt die Europäische Union bereits heute. Sie verpflichtet nur die Gastronomen bislang nicht ihre Kunden auch darüber zu informieren. Wo ist da also der Mehraufwand?
Wenn die Wirte ohnehin schon wissen, dass ihr Rindfleisch aus Brasilien und ihre Eier aus Indien stammen, wieso schreiben sie es nicht einfach auf die Karte? Der Grund liegt auf der Hand: Weil sie uns täuschen wollen. Sie wollen uns einfach nicht sagen, was sie uns tatsächlich servieren, weil sie – zurecht – die Angst haben, dass wir ihnen dann den Vogel zeigen und ihr Lokal verlassen. Letztlich ist ihr Widerstand zwecklos.
Denn immer mehr Menschen haben es satt, dass sie nach wie vor ganz legal gerade beim Essen so systematisch belogen und betrogen werden dürfen. Wie schon beim Schutz der Nichtraucher steht auch in diesem Fall die Wirtschaftskammer auf der falschen Seite und macht Politik für jene, die nicht unser Wohl, sondern nur ihren Profit im Blick haben. Doch der Fortschritt wird trotzdem kommen, auch wenn diese Lobbys ihn noch blockieren.
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