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Reportage

Einblick in den Handel: Wie sich unser Konsumverhalten ändert

Supermärkte sind in Österreich quasi allmächtige Mittler zwischen Produzenten und Konsumenten. Wie entwickelt sich der Handel wirklich?

2/18/2022
  • Österreich
  • Ernährung
Einblick in den Handel: Wie sich unser Konsumverhalten ändert

In Zeiten der Lockdowns sind sie mehr denn je die Anlaufstellen der Bevölkerung: Die Supermärkte der verschiedenen Handelsketten. Gut verteilt an jeder Ecke in der Stadt, ebenso übers Land, mit schönen großen Parkplätzen. Der wöchentliche Großeinkauf mit dem Auto ist für viele Menschen ein Fixpunkt. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl hat Österreich überproportional viel Verkaufsfläche von großen Supermärkten, die primär Lebensmittel verkaufen. Ihr Angebot prägt Konsumverhalten und Ernährung. In diesem Artikel sollen Zahlen und Daten den Status Quo genauer beleuchten, zudem stellt sich natürlich die Frage nach positiven Entwicklungspotenzialen jenseits von Umsätzen.

Seit ich Mitte der 1990er nach Wien ging, hat sich viel verändert in meiner Heimatstadt in Oberösterreich: Der Meinl am Stadtplatz, ein kleiner Supermarkt mit speziellen Waren, ist verschwunden - diese Kette gibt es nicht mehr. Nahe dem Zentrum wurde ein altes Einkaufszentrum abgerissen, ein Supermarkt und ein Diskonter mit großen Parkplätzen traten an seine Stelle. Den tatsächlich riesigen Maxi Markt am Stadtrand gab es immer schon, der hat auch eine Sport-Abteilung und früher gab es sogar einen Bereich für Möbel.

Wo eine große Filiale der Konsum Genossenschaft war, wurde 2010 ein Einkaufszentrum errichtet, das einer großen Handelskette gehört. Besonders am Wochenende zieht es die Menschen und Verkehrsströme merklich an. Dort gibt es auch einen großen Supermarkt. Um das Stadtzentrum lebendig zu halten, gibt es nun öfter Stände, an denen Bauern und andere Produzentinnen ihre Ware direkt verkaufen – früher gab es nur mittwochs den Wochenmarkt.

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Zumindest in der Theorie nach wie vor sehr beliebt: Bauernmärkte.
Noch augenscheinlicher ist die Entwicklung außerhalb der Ortschaften: An den Rändern oder oft auch an den Kreuzungen dazwischen wurden neue, große Supermärkte gebaut, die nur mit dem Auto zu erreichen sind. Diese Entwicklung gab es wohl nicht nur in Oberösterreich. Die Zeiten der Hausfrau, die mit dem Korb auf den Markt geht, um frische Lebensmittel zu kaufen und gleich zu verkochen, sind ohnehin lange vorbei.

Freie Supermarktwirtschaft

95 Prozent des Bedarfs beziehen die österreichischen Haushalte aus dem Lebensmitteleinzelhandel, vor allem aus den Filialen der großen Handelsketten und Diskonter. Das geht aus den Marktforschungsdaten der RollAMA-Erhebungen hervor, die über 2800 Haushalte ermittelt werden. Zuletzt waren vor allem die Veränderungen durch die Pandemie im Fokus.

2020 sprang die Menge abgesetzter Lebensmittel um knapp 10 Prozent nach oben, der Umsatz um knapp 14 Prozent. Im Schnitt beliefen sich die monatlichen Ausgaben für frische Lebensmittel und Fertiggerichte auf rund 170 Euro, Brot und Gebäck werden bei der AMA nicht erfasst. Etwa ein Viertel wird für Milch und Milchprodukte aufgewendet, fast ein Viertel für frisches Obst und Gemüse inklusive Erdäpfel; 5 Prozent für haltbares Obst und Gemüse. Fleisch und Geflügel machen 14,4 Prozent aus, Wurst und Schinken 18,7 Prozent. 2,8 Prozent werden für Eier ausgegeben – das sind 4,8 Euro im Monat.

Generell geben diese Anteile immer den Warenwert wieder, nicht die Menge – die Österreicher*innen essen zwar viel Fleisch, aber es sind nicht 14,4 Prozent wie beim Umsatz, sondern nur 6,1 Prozent der abgesetzten Menge im Lebensmittel-Einzelhandel. Die Milchprodukte machen 35,5 Prozent aus, Fertiggerichte knapp 5,7 Prozent. Die zuletzt genannten Mengenangaben stammen von 2021, Jänner bis September, zum Teil gab es hier natürlich Veränderungen zu 2020 – da beides „Corona-Jahre“ waren, dürften sie aber vergleichbar sein.

 Wert und Umsatz wachsen, aber auch das Bewusstsein

Generell zeigen sich zwei interessante Entwicklungen: Schon vor Corona gibt es eine stetige Steigerung der Menge des Absatzes und des Wertes des Umsatzes – wobei die Wertsteigerung immer größer ist als die Umsatzsteigerung. 2018 beispielsweise stieg der Absatz im Vergleich zum Vorjahr um 0,1 Prozent, der Umsatz jedoch um 3,5 Prozent. Werden also teurere Lebensmittel gekauft, oder werden die gleichen Waren immer teurer? Es ist noch komplizierter: Grundsätzlich spiele die Inflation eine große Rolle, erklärt Adolf Marksteiner, der Marktexperte der Landwirtschaftskammer.

Aber da seien noch andere Faktoren: „Zwar gibt es immer mehr Diskont- und Eigenmarken, zugleich steigt aber auch der Anteil der Produkte mit Gütesiegeln wie Premium, Bio, Tierwohl oder Fair Trade.“ So konnte im Sommer ein neuer Höchstwert von über 11 Prozent Bioware in den Supermärkten für 2021 gemeldet werden – 2017 waren es noch 8,6 Prozent. Dieser Anteil ist je nach Produktgruppe sehr verschieden: „Traditionell“ den höchsten Bio-Anteil verbuchen die Sortimente Milch und Naturjoghurt, hier ist es fast ein Drittel.

Bei Kartoffeln und Eiern stieg der Bio-Anteil im ersten Halbjahr 2021 von je knapp unter 20 auf fast 25 Prozent, bei anderen Waren ist die Steigerung nicht so stark, zum Beispiel bei Frischgemüse (zuletzt 20,3 Prozent) und Obst (13,8 Prozent). Und jedes zehnte Produkt in den Warengruppen Butter und Käse stammt aus biologischer Landwirtschaft. Selbst bei Fleisch und Geflügel liegt der Anteil inzwischen deutlich über 5 Prozent. Mehr zuhause, kochten die Menschen mehr selbst, vor allem der Wunsch nach Gesundheit führt zu Bio-Zutaten.

Handel als Impulsgeber

Die Handelsketten trugen wesentlich dazu bei, dass Österreich immer schon zu den EU-Ländern mit einem besonders hohen Bio-Anteil gehört. In einem Recherchegespräch erläuterte mir Franz Fischler Anfang 2020, wie das Bio-Konzept etabliert wurde. 1995 bis 2004 war der Tiroler EU-Kommissar für Landwirtschaft, davor Landwirtschaftsminister. „Es ging darum, der heimischen Landwirtschaft etwas zu verschaffen, damit ihre Produkte am freien EU-Markt konkurrenzfähig bleiben.“ So entstand das AMA-Gütesiegel, doch es brauchte speziellere Konzepte, damit die kleinen Betriebe weiter wirtschaften konnten. Biologische Landwirtschaft war so eines. „Wir wussten, wenn wir eine der Handelsketten dafür gewinnen, Bio ins Programm zu nehmen, werden alle einsteigen.
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Bio boomt - der Handel fungiert hier durchaus als Impulsgeber
Die Kette, die als erstes dabei war, ist mittlerweile in der Marktkonzentration aufgegangen, doch bis heute haben alle großen Supermärkte und auch Diskonter ihre eigenen Bio-Schienen, mit denen sie auch ihre Gesamtimage pflegen, mit lieben Schweinderln, bärtigen Herren und TV-Moderatorinnen. Franz Fischlers Anekdote illustriert den Einfluss der Handelsketten. Freilich sorgt ihre Marktmacht auch für Kritik, denn natürlich machen sie Lebensmittelproduzenten und -industrie viele Vorgaben und können Preise bestimmen. Doch wenn es um Ernährungskonzepte geht, können sie positive Impulse setzen.

 Verteilung und neue Trends

114.000 Beschäftigte im Handel stehen nicht nur in den Geschäften, jede Kette unterhält auch eine eigene umfangreiche Infrastruktur. Alle Waren kommen zuerst in große Zentrallager, von wo die Märkte mit Flotten von LKWs täglich neu beliefert werden. Die Konsument*innen wiederum fahren zu den Märkten, um einzukaufen. Damit sie alles in der gewünschten Frische vorfinden, braucht es eine ausgeklügelte Logistik.

Deswegen leidet der Lebensmitteleinzelhandel nicht unter der Konkurrenz des Online-Handels, so wie es viele andere Bereiche tun – die Supermarkt-Projekte der Internetkonzerne, die vor fünf Jahren ein populäres Thema im Trendjournalismus darstellten, konnten sich noch nicht recht manifestieren, weil es schlicht nicht das gleiche ist, Kleider und Bücher oder Milch und Karotten zu verschicken. Doch schon damals begannen Spar und Rewe, ihre Waren online zu verkaufen und direkt an die Haushalte auszuliefern. Vor der Pandemie war dies ein Service, den man zusätzlich anbot, der Anteil war jedoch minimal. Die Pandemie dürfte das geändert haben. Seit kurzem bietet auch der Diskonter Hofer einen Lieferservice an.

Die anderen fünf Prozent

95 Prozent der Lebensmittel-Einkäufe entfallen auf den Lebensmitteleinzelhandel. Was ist mit den anderen fünf Prozent? Das sind laut RollAMA alternative Vertriebsquellen, vor allem Direktvermarktung wie „Ab-Hof-Verkauf, Bauernmarkt, Wochenmarkt, Markt, Zustelldienste“ – bei Fleisch und Wurst gibt es dann noch „andere Einkaufsquellen“ als auffällige Größen, sind es doch knapp 10 bzw. gute 7 Prozent.

Vor allem die Digitalisierung kann Innovation und spezielle Angebote marktfähig machen. Ideen, die früher absurd schienen, lassen sich nun umsetzen. Bei den fünf Prozent zeigen sich Potenziale zur Entwicklung in Richtung mehr Klimaschutz, Kostenwahrheit, Qualität für die Konsument*innen und nicht zuletzt besserer Perspektiven für die Produzen*innen. Für diese stellt sich stets die Frage, an wen sie liefern und wie sie sich organisieren.

Und neben dem Essen aus dem Supermarkt gibt es ja auch Gastronomie, Take-Away und Kantinen. Im Jahr 2017 aß rund ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher regelmäßig im Restaurant oder Gasthof.


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