Als ich 2018 die Pläne für ein österreichisches Tierschutzvolksbegehren vorgestellt habe, war mir noch nicht bewusst, wie zentral dieses Thema für das Wohl der Tiere im Land ist. Woher auch? Erst in vielen Gesprächen, mit Menschen in der Landwirtschaft und in Expert*innen aus der NGO-Szene, ist mir klar geworden, dass die Transparenz beim Essen der zentrale Schlüssel für einen systemischen Wandel sein kann.
Und deswegen wurde die verpflichtende Kennzeichnung von Herkunft und Haltungsform von Lebensmitteln, auch eine der wichtigsten Forderungen, die dann 2019 von uns präsentiert wurden. Seither ist viel passiert, wir haben etwa durchgesetzt, dass in öffentlichen Kantinen ausgeschildert werden muss, woher das Fleisch stammt. Keine kleine Leistung, denn über 2 Millionen Menschen verköstigen sich täglich dort.
Intransparenz befördert Tierleid und Bauernsterben
Das reicht natürlich nicht, denn im Lebensmittelhandel und vor allem in der Gastronomie landen nach wie vor wahre Unmengen an Importware, die unter katastrophalen Bedingungen produziert wurde. Die gequälte Pute, das kranke Kalb, das misshandelte Schwein, um nur einige zu nennen. Sie landen in den Restaurants auf den Tellern, weil niemand davon weiß – sonst würde niemand sowas bestellen.
Immer lauter wird jetzt der Ruf der Bürgerinnen und Bürger: „Wir wollen wissen, was wirklich auf dem Teller landet!“. Und der kommt zu einer Zeit, in der die Bauern in Deutschland auf die Straße gehen und auch in Österreich der Unmut steigt. Kein Wunder, wenn einerseits die Vorgaben immer weiter angehoben werden, gleichzeitig aber die große Intransparenz herrscht, dann steigert das nur die Importe.
Ein Verbot der Vollspaltenböden alleine ändert nichts
Zugleich hat der Verfassungsgerichtshof die von der Bundesregierung beschlossene Regelung aufgehoben, wonach Schweine noch 17 weitere Jahre lang auf Vollspaltenböden gehalten werden dürfen. Der Profit dürfe nicht höher wiegen als der Tierschutz, urteilten die Höchstrichter und hoben die Regelung als verfassungswidrig auf. Und was jetzt? Kürzere Übergangsfristen für ein Verbot? Wohl kaum.
Denn es liegt nicht am Unwillen der Landwirte, sondern an der Unmöglichkeit der Umstellung. Wer vor 5 oder 10 Jahren einen modernen Vollspaltenboden-Stall gebaut hat, der muss noch 20 Jahre die Schulden abbezahlen. Wie soll er jetzt einen neuen Umbau finanzieren, der erneut hunderttausende Euro kostet und das gesamte wirtschaftliche System am Hof von Grund auf verändert? Gar nicht.
Wer blockiert den Fortschritt?
Die große Tageszeitung „Der Standard“ berichtete vor kurzem über die Causa Prima und titelte vollkommen richtig: „Warum ein Verbot der Vollspaltenböden am Leid der Schweine nichts ändert.“ Am Ende des langen und fundiert recherchierten Beitrags, in dem viele landwirtschaftliche Vertreter zu Wort kommen, werde auch ich zitiert – mit Bezug auf die Herkunftskennzeichnung, die es endlich umzusetzen gilt.
Doch wer blockiert die eigentlich? Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig ist es nicht, der Koalitionspartner von den Grünen auch nicht. Weder die SPÖ noch die FPÖ ist dagegen, also woran scheitert die Transparenz? Am mächtigen Wirtschaftsbund und der Wirtschaftskammer, also an dem neoliberalen Flügel der ÖVP. Solange diese Kader den Ton angeben, solange wird es für Bauern und Tiere im Land bergab gehen.
Ein Zeitfenster für Wandel hat sich geöffnet
Das große Wahljahr 2024 birgt die Chance, hier doch noch zu einem Fortschritt zu kommen. Die Bäuerinnen und Bauern haben es satt, die Konsumentinnen und Konsumenten haben es satt, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahlen haben es satt. Niemand kann es noch ertragen, dass Konzerne sich am Rücken von Mensch, Tier und Umwelt so ungeniert bereichern, wie sie das nachweislich immer noch tun.
Wenn wir die Gelegenheit jetzt nicht nutzen, noch vor der Angelobung der nächsten Regierung konkrete Schritte zu setzen, dann verpassen wir ein Zeitfenster, das sich gerade geöffnet hat. Die Entscheidungsträger bei ÖVP und Grünen müssen sich also jetzt zusammenraufen und ein Paket beschließen, das endlich die verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie bringt. Worauf warten sie noch?
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