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Reportage

Bauernfamilie: „Uns wäre lieber wir bekommen faire Preise, statt mehr Steuergeld“

Wir waren zu Besuch auf einem familiengeführten Bauernhof in Niederösterreich. Wieso sich diese Familie für eine Tierwohl-Haltung entschieden hat, was Gemeinschaft für sie bedeutet und wieso es ihrer Meinung nach ein Umdenken braucht.

8/29/2021
  • Österreich
  • Landwirtschaft
Bauernfamilie: „Uns wäre lieber wir bekommen faire Preise, statt mehr Steuergeld“

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Die Bauernfamilie Oberleitner
Der Bauernhof der Familie Oberleitner sieht aus wie aus einem Bilderbuch. Ein bisschen abseits gelegen in der malerischen Gegend im Bezirk Scheibbs, gruppiert sich eine Reihe von Häusern nebeneinander. „Hier wohnen wir mit unseren Großeltern, nebenbei wohnt die Tochter mit Schwiegersohn und unseren Enkeln, und auf der anderen Seite wohnen Tante, Onkel und Cousin“, wird uns gleich beim herzlichen Empfang am Hof von Bäuerin Renate Oberleitner erklärt. Vier Generationen leben und arbeiten zusammen in dieser Landwirtschaft, die so idealtypisch für Österreich steht.

Seit bald 100 Jahren wird das Land von der Familie bestellt, immer in unterschiedlichen Ausprägungen. Schafe hat man gezüchtet, Schweine gehalten, Honig wird selbst gemacht und jetzt, seit bald zwei Jahren, ist man in die Geflügelmast eingestiegen. Wobei Hühner haben sie immer gehabt: „Für den Eigenbedarf und die Menschen in der Umgebung hatten wir immer welche hier. Aber das jetzt ist natürlich was anderes.“

Trockene Füße, gesunde Tiere

Hinter dem alten Stall im dunklen Holz thront das neue Gebäude mit hellem Holz. Es ist der neue Geflügelstall, errichtet nach den strengen Kriterien des Schweizer BTS-Standard. Das steht für „Besonders Tierfreundliche Stallhaltungssysteme“ und hat sich in der Schweiz bereits etabliert. Die Tiere haben darin deutlich mehr Platz, etwa 50 Prozent mehr als in nicht-deutschsprachigen Ländern. Der Stall verfügt sogar über eine Fußbodenheizung. Wozu?

Es ist gesünder, wenn die Füße der Tiere trockenbleiben. Das ist mit ein Grund dafür, wieso wir absolut keine Antibiotika einsetzen müssen. Es geht den Tieren einfach gut hier“ so Bauer Johann Oberleitner. In der Gegend ist er als „Vitaminmischer“ bekannt, weil er duftende Kräuter und Vitamine in das Futter mischt, die sich nachweislich positiv auf Wohlbefinden und Gesundheit der Hühner auswirken.

Eine besonders anspruchsvolle Form der Haltung

Die Tiere haben in diesem Stallsystem jederzeit Zugang zu einem überdachten Wintergarten. Das Dach ist wichtig, denn Hühner scheuen sonst den Freilauf aus Angst vor Raubtieren aus der Luft. „Vor allem am Nachmittag, wenn die Sonne nicht mehr so stark scheint, genießen sie den Freiluft-Bereich. Es ist einfach schön mit anzusehen, wie sie hier ihre Tage bei uns verbringen können, frei von Stress und Angst und Schmerzen.

Das BTS-System ist teuer und aufwendig. Auch wenn die Geflügelmast in Österreich schon grundsätzlich weit über dem ausländischen Standard liegt, diese Form der Haltung ist und bleibt noch einmal deutlich anspruchsvoller. Möglich ist das nur, wenn die Menschen auch bereit sind mehr zu zahlen, so die Familie. Aber die klassisch-konventionelle Haltung war für sie keine Option, dann lieber keine Hühner halten. Es sollte mehr Tierwohl sein. Doch wer zahlt das?
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Tierwohl in der Praxis: Fußbodenheizung, Wintergarten & Kräutermischungen
Weniger Steuergeld, dafür faire Preise am Markt

Uns ist lieber wir bekommen weniger Steuergeld, dafür aber faire Preise für unsere Lebensmittel. Wir sind stolz auf das was wir hier machen, wir haben keine Geheimnisse. Und es freut uns, wenn auf den Packungen im Supermarkt dann unser Name draufsteht, damit die Menschen wissen, woher ihr Essen kommt. Generell sollte weniger, dafür aber bewusster Fleisch gegessen werden“ wünschen sich die Bauern.

Um faire Preise am Markt zu bekommen, braucht es einen starken Partner im Vertrieb. Bei der Familie Oberleitner ist das die Firma Hubers Landhendl. Der 1973 von Maria und Johann Huber gegründete und immer noch familiengeführte Betrieb gehört zu den größten Geflügelproduzenten Österreichs. Er liegt nur 150 Kilometer Luftlinie vom Hof der Familie Oberleitner entfernt und bringt ihre Produkte unter der Marke „FairHof“ ins Regal.

Die Entscheidung für die tierfreundliche Haltung war aber nicht primär von wirtschaftlichen Interessen geleitet, sondern vor allem auch eine Frage der Ethik. „Ich freue mich ja auch, wenn ich mehr Platz zum Leben habe. Wir wollen, dass es den Tieren bei uns gut geht“ erklärt die Bäuerin. Das gleiche wünschen sich immer mehr Konsument*innen, gerade auch in der direkten Umgebung ist das Hühnerfleisch der Oberleitners heiß begehrt.

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Auch bei Gemüse und Obst wird selbst angebaut
Die Gemeinschaft versorgen

Neben der Zusammenarbeit mit Hubers Landhendl betreiben sie daher auch einen Ab-Hof-Verkauf. Für sie ist das mehr als nur ein Zuverdienst, sie verstehen sich als Nahversorger der Gemeinschaft am Land: „Wir wollen unser Umfeld mit guten Lebensmitteln versorgen“. Wirklich wirtschaftlich ist das nicht, dazu reichen die Mengen nicht. Aber es muss auch nicht immer das Geld im Vordergrund stehen, manches macht man einfach aus Überzeugung.

Die Wichtigkeit von bäuerlichen Betrieben als Regionalversorger hat sich gerade in der Corona-Krise wieder gezeigt. Die Nachfrage nach heimischen, tier- und umweltfreundlichen Lebensmitteln ist stark angezogen. Ein Modell mit Zukunft? „Unser Hof ist ein Kreislauf. Der Mist aus dem Stall geht in die regionale Biogas-Anlage, von dort werden wir wieder mit Gülle versorgt. Es ist ein schönes Geben und Nehmen hier“ so Bauer Oberleitner.

In der Schule kommt die Landwirtschaft kaum vor

Ein wenig bedauerlich finden sie den mangelnden Bezug der Konsument*innen zu ihnen, den Produzent*innen: „Unser Schulsystem hat die Bauern ausgeschlossen, man erfährt in der Schule nicht mehr woher das Essen kommt und welche Arbeit dahintersteckt.“ Dieser fehlende Bezug erschwert den bewussten Konsum. Wichtig ist ihnen daher der Dialog, auch wenn sie die Anfeindungen von Tierrechtler*innen kränken.

Die Hühner hier erhalten kein gentechnisch verändertes Futter, kein Soja aus dem Regenwald. Es ist ein Mittelding zwischen konventionell und Bio, bleibt dabei aber leistbar. Wichtig ist den Bauern auch die Transparenz. „Es wäre schön, wenn man auch bei den vielen netten Zeltfesten am Land mehr Grillhendl aus Österreich vorfinden würde. Ich esse einfach lieber Fleisch, wenn ich weiß, woher es stammt“ so Johann Oberleitner.

Mehr Begegnungen für ein Umdenken

Im Supermarkt findet man die Hühner der Oberleitners als „FairHof“-Fleisch, wo es sich großer Beliebtheit erfreut. In der Gastronomie hingegen muss man Glück haben, wenn man heimisches Geflügel am Teller hat. Wobei es am Land schon viele Betriebe gäbe, die gezielt auf österreichische Lebensmittel setzen, so die Erfahrung von Bäuerin Renate Oberleitner: „Es braucht aber grundsätzlich in der Gastronomie ein Umdenken. Davon haben wir ja schließlich alle was“. Damit das tatsächlich eines Tages so kommt, braucht es wohl noch mehr solcher Begegnungen. Diese Familie ist und bleibt jedenfalls offen dafür.

Zum Abschied gibt uns der Hobby-Imker noch ein Glas seines Honigs mit. Es ist seine private Leidenschaft, wie er sagt. „Ich freue mich einfach, wenn ich selber was Gutes herstellen kann“, sagt er. Bleibt zu hoffen, dass sein Einsatz honoriert wird und noch mehr Menschen umdenken und künftig hinterfragen, woher ihr Fleisch stammt und wie die betreffenden Tiere gelebt haben. Diese Verantwortung kann den Konsument*innen nicht abnehmen.



Die Entstehung dieses Beitrags wurde durch eine entgeltliche Zusammenarbeit ermöglicht. Die redaktionelle Unabhängigkeit wurde davon nicht berührt.


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