Gute Nachrichten aus der Welt des Umwelt-, Natur- und Klimaschutzes – gibt es die überhaupt noch? Bei den vielen Horrormeldungen aus aller Welt über katastrophale Brände, Dürren und Überschwemmungen, über die skrupellose Zerstörung und grenzenlose Gier, da verliert man mitunter die Hoffnung. Umso wichtiger sind Fälle wie dieser, der noch dazu direkt vor unserer Haustür stattfindet. Und der eine wichtige Lehre mit sich bringt.
Vom Aufstand der Bürger
Es ist ein Stück weit die klassische „David gegen Goliath“-Geschichte, neu aufgelegt in der niederösterreichischen Gemeinde Hinterbrühl. Die Marktgemeinde mit rund 3.900 Bewohnern, etwa 17 Kilometer von Wien im Bezirk Mödling gelegen, ist Schauplatz eines ungleichen Kampfes, der sich bereits seit Jahren zieht. Und der, zumindest deuten die neuesten Entwicklungen darauf hin, Vorbildcharakter für ganz Österreich haben könnte.
Auf der einen Seite in diesem Kampf stehen die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Hinterbrühl, auf der anderen der mächtige und milliardenschwere BILLA-Konzern. Dieser ist mit seiner eigenen Öko-Stiftung namens „Blühendes Österreich“ zwar medial hochaktiv, vor allem wenn es um die Bewerbung eines vorgeblichen Nachhaltigkeits-Engagements geht. Gleichzeitig agiert er aber als maßgeblicher Treiber der Bodenversiegelung in Österreich.
Ein Konzern und seine Pläne
Doch nicht immer kann der österreichische Ableger des deutschen REWE-Konzerns seine Pläne so umsetzen, wie er sich das vorstellt. Denn die Medienmacht des Konzerns ist zwar gewaltig, ebenso die Kontakte in die Politik. Doch den Widerstand durch couragierte Menschen sollte man eben nicht unterschätzen. Vor allem dann nicht, wenn es um den Erhalt von natürlichen Lebensräumen geht und damit um die grüne Lunge ihrer Gemeinde.
Der BILLA-Konzern versucht bereits seit 2021 einen Neubau auf der grünen Wiese in Hinterbrühl zu errichten und sorgt damit für Unmut bei den Menschen vor Ort. Ein Antrag auf baubehördliche Bewilligung der Errichtung eines Neubaus wurde mit Bescheid vom 13.01.2023 abgewiesen. Dennoch versuchte es der Konzern erneut und scheiterte nun nochmals vor den Behörden. Und zwar mit bemerkenswerter Begründung.
Mit eigener Homepage: „Der grüne BILLA“
Doch werfen wir zunächst noch einen Blick auf die konkreten Pläne des Konzerns. BILLA wirbt auf einer eigenen Projekt-Homepage unter https://gruener-billa.at für den kleinen Markt in Hinterbrühl. Mit viel Aufwand wird darin der Eindruck erweckt, dass die neue Filiale auf der grünen Wiese für die Versorgungssicherheit wichtig wäre. Und es wird auch von einem angeblichen „öffentlichen Interesse“ gesprochen. Das liest sich dann zum Beispiel so:
„Ein wichtiger Teil dieser Lebensqualität ist die verlässliche Nahversorgung mit hochwertigen Lebensmitteln. Gerade die vergangenen drei Krisenjahre machen bewusst, wie wichtig das ist. Es gilt also, auch für die Zukunft gerüstet zu sein.“ Dass die Bezirkshauptmannschaft Mödling in ihrer Urteilsbegründung zum exakten Gegenteil kommt, was die öffentliche Interesse betrifft, das scheint den Konzern bislang nicht zu tangieren.
Doch warum ist dem Konzern dieser kleine Markt in einer kleinen Stadt so wichtig? Es scheint, das suggeriert zumindest die Homepage, eine sehr symbolträchtige Filiale zu sein, soll sie doch „eine neue Generation grüner Märkte“ repräsentieren. Dass man sich dabei auf das in Verruf geratene und heftig von Experten kritisierte Greenpass-System stützt, das erhöht die Glaubwürdigkeit nicht unbedingt.
Widerstand erfährt Würdigung durch Gericht
Eine Fläche von rund 2.649 Quadratmetern sollte nach Plänen des Konzern versiegelt werden, das wären satte 43 Prozent der gegenständlichen Grundstücksfläche. Die „Versiegelung von wertvollen Grünflächen im großen Ausmaß“ würde aber dem Grundsatz der „sparsamen Grundinanspruchnahme“ widersprechen, führt die Behörde in ihrem Erkenntnis aus. Ein öffentliches Interesse sei nicht erkennbar.
Dies auch abgeleitet dadurch, dass bereits zwei Supermärkte in unmittelbarer Nähe befindlich wären und daher die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet sei. Bemerkenswert ist aber vor allem auch der Umstand, dass die Behörde eine Petition würdigte, die von über 5.300 Menschen unterzeichnet wurde sowie einen Antrag an den Gemeinderat von über 400 Menschen mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Gemeinde.
Urteil mit wichtiger Signalwirkung
Nun mag die Causa BILLA in Hinterbrühl auf den ersten Blick nicht als großes Politikum geeignet erscheinen, vor dem Hintergrund des Machtkampfes „Menschen gegen Milliardenkonzern“ und dem quasi stündlich steigenden gesellschaftlichen Bewusstsein zur Erhaltung natürlicher Flächen, erfährt sie jedoch eine besondere Dynamik. Der Schutz von Böden vor Verbauung und Versiegelung ist ein zentrales politisches Thema geworden.
Nicht nur „Die Grünen“, immerhin Regierungspartei auf Bundesebene, plakatieren mittlerweile den Bodenschutz, auch in den Programmen anderer Parteien nimmt der Schutz vor Versiegelung inzwischen immer mehr Raum ein. Bleibt zu hoffen, dass der Widerstand der Menschen aus Hinterbrühl bis in alle Parteizentralen in St. Pölten und Wien vordringt und dort die Rahmenbedingungen erlassen, die den Konzernen ihre Grenzen aufzeigen.
Übrigens: Der Kampf gegen die Zerstörung ist noch nicht endgültig gewonnen. Um den Bürger*innen vor Ort zu helfen, kann und sollte man diese Petition unterschreiben.
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