Beim Abbau von Mineralien im Kongo, bei der Ernte von Haselnüssen in der Türkei oder dem Nähen von Kleidung in Bangladesch kommt es nachweislich immer wieder zu Fällen von moderner Sklaverei, Kinderarbeit und gewalttägigen Übergriffen. Auch die Natur wird verpestet und der Lebensraum von Menschen und Tieren im globalen Süden vernichtet.
Die dafür verantwortlichen Konzerne sitzen zumeist in Europa oder den USA und feiern Rekordgewinne, zur Verantwortung können sie so gut wie nie gezogen werden. Genau das soll sich nun ändern, ermöglichen soll es das sogenannte „Lieferkettengesetz“. Dieses sieht vor, dass Unternehmen für Verbrechen wider die Menschenrechte und Umweltstandards haften müssen, selbst wenn diese von Zulieferern im Ausland begangen wurden.
Entwurf macht Hoffnung
In Deutschland wurde ein entsprechendes Gesetz im vergangenen Jahr beschlossen, nun wird auf EU-Ebene um eine umfassendere Regelung gekämpft. Der von der Europäischen Kommission jüngst vorgelegte Entwurf für eine EU-Lieferkettengesetz enthält weitreichende Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenrechts- und Umweltverstößen durch Großunternehmen.
Die österreichische Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz begrüßt den Entwurf, fordert aber nun von der Bundesregierung einen aktiven Einsatz für dessen Realisierung. Die ersten Reaktionen aus der Industrie und dem konservativen politischen Spektrum lassen darauf schließen, dass in den kommenden Monaten massive Einflussnahme erfolgen wird, um das Gesetz auf das deutsche Niveau zu drücken.
Insbesondere die Frage der Haftung und die Reichweite bis hin zu den Lieferanten der Lieferanten wird entscheidend für den Erfolg des Gesetzes sein: „Es ist unwürdig, dass im Jahr 2022 immer noch Menschenhandel und Kinderarbeit in technischen Geräten und Süßwaren stecken. Es ist schlicht inakzeptabel, dass die Verantwortung auf die Konsument*innen delegiert wird, die in der Regel nicht mal etwas über die Herkunft oder gar Produktionsbedingungen erfahren. Hier bei uns, wo die Konzerne ihre Profite machen, müssen sie auch zur Verantwortung gezogen werden können.
Nicht mit einer milden Strafzahlung, sondern mit persönlicher Haftung für die Vorstände und mit dem Entzug aller staatlichen Aufträge und Subventionen. Erst wenn es die boni-geleiteten Top-Manager direkt trifft, erst dann werden sie aufhören, ihr Geschäftsmodell auf die Ausbeutung von Menschen oder die Zerstörung der Natur zu stützen. Die Freiwilligkeit funktioniert nachweislich nicht, Zeit für ein scharfes EU-Gesetz“ so Veronika Bohrn Mena, Sprecherin der Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz und Vorsitzende der Gemeinwohlstiftung COMÚN.
Österreichische Bundesregierung jetzt gefordert
Die Bürgerinitiative, die von UNIDO-Generaldirektor Gerd Müller, Vizekanzler Werner Kogler, Klimaministerin Leonore Gewessler und vielen anderen Amtsträger*innen und Expert*innen unterstützt und von einem breiten Personenkomitee getragen wird, spricht sich aber auch nach wie vor für weiterführende Maßnahmen aus. So sollte das im Bericht des EU-Parlaments angedachte Importverbot für Waren, die unter Missachtung von Menschenrechten und Umweltstandards erzeugt wurden, ebenfalls realisiert werden. Die österreichische Bundesregierung solle sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass ein möglichst starkes Ergebnis erzielt wird – wovon insbesondere auch heimische Unternehmen profitieren würden:
„Die nächsten Monate werden darüber entscheiden, ob der nun vorliegende ambitionierte Entwurf der EU-Kommission zum zahnlosen Tiger verkommt, oder ob daraus tatsächlich ein großer Wurf wird, der uns künftig den Konsum von Gütern ohne Scham und Wut ermöglicht. Es darf nicht länger die entscheidende Frage sein, ob irgendwer bereit ist für etwas zu bezahlen, sondern ob es im Einklang mit den Menschenrechten und Umweltstandards produziert wurde. Nur was diesen Mindestbedingungen entspricht, sollte auch im Regal liegen dürfen“ so Bohrn Mena abschließend.
In eigener Sache: Wir arbeiten unabhängig von Parteien und Konzernen. Um unseren Fortbestand zu sichern, sind wir auf Abonnent*innen angewiesen. Bitte schließen Sie jetzt ein Abo ab und ermöglichen Sie damit unsere Berichterstattung. Danke!