Die jüngsten Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die Vorgehensweise bei der Bewältigung der Klimakrise, wonach Einschränkungen etwa beim Individualverkehr nicht nötig seien, sorgten nicht nur für Widerspruch beim grünen Koalitionspartner, sondern auch von führenden Klimaforschern. Das Climate Change Centre Austria (CCCA), das Netzwerk der österreichischen Klimaforscher*innen, weist die Behauptung von Kurz, wonach die Klimakrise nur durch Technologie und Innovation zu lösen sei und die Menschen auf nichts verzichten müssten, entschieden zurück.
Man nehme zwar "mit Freude" zur Kenntnis, "dass der Herr Bundeskanzler nun inhaltlich in die Klimadebatte einsteigt". Seine Aussagen in Bezug auf die Klimakrise stünden jedoch in Widerspruch zu internationalen und nationalen wissenschaftlichen Studien. Nach diesen stünde vielmehr fest, dass Technik und Innovation alleine die Klimakrise nicht lösen können, sondern zusätzlich soziale Innovation und vor allem geeignete politische und rechtliche Rahmenbedingungen notwendig sind. Die Aussagen von Kanzler Kurz sind auch im Kontext der jüngsten Debatten rund um die von Klimaministerin Leonore Gewessler angeordnete ökologische Neubewertung von Bauplänen neuer Schnellstraßen zu verorten, die er ablehnt.
Kein Verzicht, aber Veränderung
"Gerne befassen wir und die CCCA Wissenschafter_innen uns aber mit jenen Studien und den eventuell darin enthaltenen neuen Erkenntnissen, auf deren Basis Bundeskanzler Kurz seine Aussagen gemacht hat, wenn er sie uns zur Verfügung stellt", hieß es süffisant weiter. Ein entsprechendes Angebot sei an Kurz ergangen, man stehe "jedenfalls gerne für einen fachlichen Austausch mit dem Bundeskanzler zur Verfügung". Auch bedeute Klimaschutz keineswegs "zurück in die Steinzeit", schrieben die Experten weiter. Das Ziel sei "im Gegenteil innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten zu bleiben, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und Lebensqualität zu sichern". Das sei jedoch nicht möglich, ohne den Druck auf die natürlichen Ressourcen zu reduzieren. Das werde auch Gewohnheitsänderungen erfordern, nicht aber notwendigerweise Verzicht.
Sicherung des Wirtschaftsstandorts
Ohnehin könne der Wirtschaftsstandort Österreich nur auf diese Weise langfristig gesichert werden. Die Bewältigung der Klimakrise sei "vielfältig und komplex" und werde auch nur in einem breiten gesellschaftlichen Prozess gelingen, bei dem alle - Politik, Industrie und Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft - an einem Strang ziehen, so der CCCA. "Es wird die Wundertechnologie nicht geben, die unser System völlig unverändert lasst", betonte auch Karl Steininger, Professor für Klimaökonomie in Graz, am Donnerstag im "Ö1"-Radio. Das bekräftigt auch Harald Rieder von der Universität für Bodenkultur in Wien: "Auf Basis der uns vorliegenden breiten wissenschaftlichen Studien ist ganz klar festzustellen, dass innerhalb der momentanen Wirtschaftsweise, sowie rein durch Innovation und Technologie, die Klimakrise nicht zu bewältigen ist."
Wein-Anbau: Forschung ermöglicht Fortschritt
Ein gutes Beispiel dafür, wie wertvoll Forschung für Anpassungsstrategien in Zeiten des Klimawandels ist, kommt aus Südtirol. Angesichts der Erderwärmung untersuchen Forscher der Universität Innsbruck gemeinsam mit Südtiroler Fachkollegen wie Weinreben auf Hitze- und Trockenstress reagieren. Bei einem Großexperiment am Zentrum für Extremklima-Simulation des Südtiroler Forschungszentrums Eurac Research in Bozen soll geklärt werden, wann bestimmte Rebsorten an ihr physiologisches Limit geraten.
Dadurch soll die Grundlage möglicher Anpassungsstrategien für die Winzer an Ort und Stelle geschaffen werden. Dass sich erhöhte Temperaturen auf Farbe und Struktur von Rotweinen, sowie den Säuregehalt von Weißweinen auswirken, sei bekannt. Optionen, den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken, gebe es etwa bei der Gestaltung des Weinberges und des jeweiligen Jahrganges, informierte Florian Haas, einer der insgesamt 14 beteiligten Forscher der Innsbrucker Universität, des Versuchszentrums Laimburg, der Eurac Research und der Freien Universität Bozen.
Sommer könnten um über 5 Grad heißer sein
Seit den 1970er-Jahren habe in der Autonomen Provinz Bozen die Temperatur im Sommer um 2,2 Grad Celsius zugenommen - in niedrigeren Höhenlagen um bis zu drei Grad Celsius. "Das sind genau jene Gebiete, die überwiegend landwirtschaftlich, auch für den Weinbau, genutzt werden", erklärte Projektleiter Georg Wohlfahrt vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck den Hintergrund der Forschungen. Hinzu komme, dass es im Jahr 2100 laut Prognosen im Sommer um bis zu 5,4 Grad Celsius wärmer sein könne, so Wohlfahrt.
Das Forschungsdesign ermögliche es, die Auswirkungen von Hitze- und Trockenstress sowohl separat als auch kombiniert zu untersuchen. Dazu wurden im Zentrum für Extremklima-Simulation vier separate Klimakammern mit zweijährigen Weinstöcken der Sorte Sauvignon Blanc bepflanzt. In zweien davon würden die mittleren Umweltbedingungen, wie sie in den vergangenen 30 Jahren im Juli an der Wetterstation Laimburg vorherrschten, nachgestellt. In den beiden anderen Klimakammern simuliere das Team eine Hitzewelle und damit künftige Klimaszenarios. In jeder der Klimakammern gebe es ausreichend bewässerte Weinreben und solche, die nicht bewässert werden.
Während des Experiments sollen unterschiedliche Daten erhoben werden, den Abschluss des Experiments soll eine Blindverkostung nach der Weinlese im Herbst bilden. Die Forschung wird von der Autonomen Provinz Bozen gefördert.
(oekoreich/APA)
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