Österreich importiert jährlich Holz im Wert von über 4,6 Milliarden Euro, der Bedarf übersteigt das Inlandsangebot deutlich. Aus Ländern wie der Ukraine und Rumänien wird viel Holz importiert, dabei ist aber nicht immer klar, aus welchen Quellen es stammt. Dass sich auch illegal geschlägertes Holz darunter findet, das wurde etwa im Kapitel Holz des Lieferkettenatlas der Gemeinwohlstiftung COMÚN bereits ausführlich dokumentiert.
Auch österreichische Holzkonzerne wie EGGER, HS TIMBER und KRONOSPAN waren in der Vergangenheit in dubiose Aktivitäten im Ausland verstrickt. So wurden diese etwa mit Millionenstrafen im Zusammenhang mit illegalen Marktabsprachen belegt. Nun zeigen neue Ermittlungen, dass just diese Unternehmen trotz Gütesiegel und Nachhaltigkeitsversprechen erneut in illegale Aktivitäten in Rumänien involviert sein könnten.
Auch österreichische Konzerne beziehen Holz aus „Waschsalons“
Gabriel Paun, rumänischer Umweltschützer und Präsident der NGO „Agent Green“, ist bereits seit Jahren auf der Spur von multinational agierenden Holzkonzernen und ihren Machenschaften in Rumänien. In zahlreichen Dokumentationen hat er ihren Raubbau immer wieder festgehalten und damit entscheidend zu Fortschritten im Kampf gegen illegale Abholzung beigetragen. Nun veröffentlicht er erneut exklusives Material.
Er berichtet, dass die Menge an jährlich legal geerntetem Holz in Rumänien sehr ähnlich zu jener in Österreich sei, sie beträgt rund 18 Millionen Festmeter. Der Unterschied ist, dass in Rumänien nochmal 20 Millionen Festmeter Holz pro Jahr illegal geerntet werden und verschwinden, ohne jeglichen Nachweis. Insgesamt werden rund 38,6 Millionen Festmeter Holz pro Jahr in Rumänien geerntet. Nur 1 Prozent davon werde behördlich kontrolliert.
Auch große österreichische Konzerne wie Kronospan, EGGER oder HS Timber, profitieren wissentlich oder unwissentlich von illegalem Holz, so Paun: „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich illegales Holz in den Lieferketten dieser Unternehmen findet, ist sehr hoch. Dabei gelangt das Holz in der Regel nicht direkt vom Wald in die Fabriken der Konzerne, sondern über Holzplätze. Diese fungieren als regelrechte Waschsalons für illegales Holz.“
Strukturelle Korruption verhindert Fortschritt
Illegales Holzes ist in Rumänien mittlerweile eine Frage der nationalen Sicherheit, massive Anstrengungen wurden in den letzten Jahren unternommen, um es zu unterbinden. Es wurde etwa eine Digitalisierung der Wälder in Angriff genommen, auch neue Kontrollinstanzen wurden geschaffen. Doch auch diese neuen Stellen sind bereits nachweislich korrupt, mutmaßlich auch unter Einbezug von Regierungsstellen.
Paun informiert: „Eine Reihe von Methoden wird eingesetzt, um Kontrollregularien zu umgehen, hier gibt es taktisches Vorgehen. Hier sei etwa die „Teleportation“ genannt. Dabei wird Holz, das in Wahrheit aus einer (geschützten) Region stammt, als solches ausgegeben, das in einer anderen Region geerntet wurde. Die besten Methoden sind wirkungslos, wenn Kontrollen vorher angekündigt werden und keine Transparenz gelebt werden muss.“
Wie Gabriel Paun berichtet, hatte das Unternehmen HS TIMBER nach eigenen Angaben in der Vergangenheit auch Kontakt zu den beiden kriminellen Gruppen. Eine davon wurde jedoch bereits im Jahr 2016 auf eine schwarze Liste gesetzt, die zweite unmittelbar nachdem das Unternehmen über die Machenschaften informiert wurde. Ein Bestand von einigen tausend Kubikmetern Holz aus dieser Quelle soll allerdings noch vorrätig sein.
Die beiden Unternehmen KRONOSPAN und EGGER haben sich bislang noch nicht im Detail dazu geäußert, ob und in welchem Ausmaß sie Geschäftsbeziehungen zu den kriminellen Gruppen hatten oder haben. Laut Angaben der Polizei in Rumänien wurden jedoch Spuren gefunden, die darauf hindeuten, dass zumindest rund 6.000 Kubikmeter Holz bei EGGER von einer der beiden kriminellen Gruppen stammen könnten.
Profiteure von illegalen Praktiken bei uns zur Verantwortung ziehen
Es ist aus dem Lebensmittel- oder Textilbereich bereits bekannt und trifft auch auf die Holzbranche zu. Multinational agierende Konzerne gründen Schachtelkonstruktionen an Töchter- und Schwesterfirmen in Ländern, aus denen sie Rohstoffe beziehen. Diese agieren mitunter am Rande der Legalität oder sind über ihre Zulieferer in Machenschaften involviert, die diese Grenze überschreiten.
Die Gemeinwohlstiftung COMÚN, Trägerin der österreichischen Initiative für ein Lieferkettengesetz, fordert anlässlich der jüngsten Aufdeckung aus Rumänien, dass die heimischen Holzkonzerne für die Machenschaften ihrer Subfirmen und deren Zulieferer auch rechtlich zur Verantwortung gezogen werden können müssen. Und zwar hier in Österreich, am Ort der Profitgenerierung und den Sitzen der Eigentümer.
Dazu Stiftungsvorsitzende Veronika Bohrn Mena: „Wenn ein Konzern viele Milliarden Euro damit verdient, dass er billiges ausländisches Holz in Österreich zu teuren Produkten verarbeitet und diese hier und in aller Welt verkauft, kann er die Verantwortung für die Herkunft des Rohstoffes nicht abgeben. Vom Baum im Wald bis zum Regal im Geschäft ist er für alle Vorgänge entlang seiner gesamten Lieferkette zur Haftung zu ziehen.“
FSC-Gütesiegel nicht vertrauenswürdig
Dies soll etwa durch ein schlagkräftiges Lieferkettengesetz gewährleistet werden. Gegenwärtig finden dazu Konsultationen der österreichischen Bundesministerien für Justiz und für Arbeit und Wirtschaft statt. Die Gemeinwohlstiftung COMÚN ist in diese Gespräche involviert und hat ein umfangreiches Forderungspaket eingebracht, darunter etwa die persönliche Haftung des Managements, der Ausweitung des Geltungsbereichs und der Erweiterung von sogenannten Risikobranchen wie der Baubranche.
Auch die Strafen für den Import von illegalem Holz seien erschreckend niedrig, aktuell sind es in Österreich lediglich bis zu 100.000 Euro. Und das auch erst im Wiederholungsfalle. Dabei gebe es aber Optionen für heimische Unternehmen sicherzustellen, dass das verwendete Holz aus Österreich stamme und damit nicht aus illegaler Rodung, etwa die PEFC Austria-Zertifizierung. Diese sei im Gegensatz zum FSC-Siegel oder ausländischen Zertifizierungen vertrauenswürdig.
Heimische Forstwirtschaft durch Importe bedroht
Schließlich müsse die heimische Forstwirtschaft selbst ein großes Interesse daran haben, so Bohrn Mena, dass die Importe von dubiosem Holz ein Ende finden. Denn mit den Machenschaften weniger Konzerne würden auch hunderttausende heimische Waldbesitzer und über 1.400 heimische Holzbetriebe in Verruf gebracht. Diese würden aber auch eine wichtige Arbeit erbringen, da sie durch nachhaltige Waldbewirtschaftung dabei helfen können lebenswichtige Ökosystemfunktionen zu erhalten.
„Erst wenn die heimischen Holzkonzerne, ihre Eigentümer und Manager hier an ihren Stammsitzen rechtlich von uns belangt werden können für das, was ihre Zulieferer in den rumänischen Wäldern an Verbrechen begehen, werden sie ihre Praxis ändern. Solange sie sich weiterhin an ihren Zulieferern abputzen können, werden sie an ihrem System der Ausbeutung festhalten“, so Veronika Bohrn Mena. Die Gemeinwohlstiftung COMÚN hat umfassende Erkenntnisse zu illegalem Holz in ihrem „Lieferkettenatlas“ bereits aufbereitet. Die Informationen sind unter www.lieferkettenatlas.com frei abrufbar.
Alarmierender Gesundheitszustand von EU-Wäldern
Der Umweltschützer Matthias Schickhofer, Sprecher des NGO-Bündnisses „Forest Defenders Alliance“, stellt die neuesten Erkenntnisse aus Rumänien in einen europäischen Kontext. Er informiert über die dramatischen Auswirkungen auf die Gesundheit der Wälder in Europa, auf die Schäden für das Klima und die Fehlentwicklungen im Bereich der Forstwirtschaft.
Dazu Schickhofer: „Intakte Wälder sind neben Meeren und Mooren als Kohlenstoffsenke die wichtigsten natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die Klimaerhitzung. Sie sichern essentielle Ökosystem-Leistungen wie Wasserspeicherung, Biodiversität, Kühlung der Landschaft, Schutz vor Überflutungen oder Lawinen. Der ‚Gesundheits-Zustand‘ der Wälder in der EU ist aber alarmierend: Sie leiden zusehends an den Folgen der Intensiv-Forstwirtschaft in Kombination mit Klimaschäden wie Dürre und Insektenkalamitäten - und illegalem Raubbau. Der Hitzesommer 2022 hat dramatische Spuren fast in der ganzen EU hinterlassen: Allein in Deutschland sind seit 2018 mehr 500.000 ha Wald (v.a. Nadelforst und stark durchforstete Laubwälder) kollabiert; im Süden Österreichs starben heuer im Sommer Fichtenwälder im Gebirge flächig ab - mit unabsehbaren Folgen für die Täler.“
Der Raubbau finde auch in ausgewiesenen Wald-Schutzgebieten statt, so Schickhofer:
„Nur noch ein kleiner Teil der Wälder in Europa ist in einem natürlichen und damit widerstandsfähigeren Zustand. Selbst die werden zunehmend durch legalen und illegalen Holzeinschlag zerstört. Haupttreiber dafür sind der wachsende Holzhunger, etwa aufgrund künstlich angeheizten Biomasse-Nachfrage, und illegaler Machenschaften, v.a. in Ost- und Südosteuropa. In Ländern wie Rumänien, wo es noch große Ur- und Naturwälder gibt, verschwinden sogar Wälder in Schutzgebieten in riesigen Sägewerken, teilweise im Besitz österreichischer Konzerne, oder Pelletsfabriken. In Bosnien nagen heute 35 Pelletsfirmen an den teils naturnahen Wäldern, vor ein paar Jahren gab es da noch kein einziges Werk.“
Riesige, alte Baumstämme verschwinden in Häckslern
In Zeiten der Klimakrise die Wälder abzuholzen und die Wald-Biomasse in Kraftwerken zu verbrennen, sei fahrlässig und der falsche Weg. Es gebe kein „Bio CO2“, Biomasse-Verbrennung werde erst „CO2 neutral“, wenn der nachwachsende Wald die Emissionen aus der Verbrennung wieder aufgenommen hat. Das dauert aber viele Jahrzehnte und komme für die Klimaziele viel zu spät. Eine Recherche der Forest Defenders Alliance bei Holzkraftwerken in der EU habe außerdem gezeigt, dass hier keineswegs nur „Sägespäne und Reststoffe“ verbrannt werden. Dazu Schickhofer: „Hier lagern riesige Mengen ganzer Baumstämme, die in den Häcksler und dann in den Heizkessel wandern - auch in Österreich. In Estland landet bereits die Hälfte des Einschlages in Pelletswerken und in Kraftwerken.“
Energetische Nutzung von Holz-Biomasse aus dem Wald sei ein klimapolitischer Irrweg und dürfe nicht mehr für die nationalen Klimaziele anrechenbar oder förderbar sein. Stattdessen brauche es einen massiven Ausbau verbrennungsfreier Energieträger, rasche und ehrliche CO2-Emissionsreduktion und Maßnahmen gegen den Raubbau an unseren Wäldern. Für Holz gebe es keinerlei zuverlässige Ursprungskennzeichnung. Die Hälfte des in Österreich energisch genutzten Holzes, 25 Millionen Festmeter pro Jahr werden verbrannt, werde importiert. Der Ursprung des Holzes sei nicht nachvollziehbar: „Wir müssen unsere Wälder und ihre wichtigen Ökosystem-Funktionen erhalten. Dazu braucht es außerdem eine ökologische Wende in der Wald-Bewirtschaftung und den strikten Schutz aller noch intakten Ur- und Naturwälder, wie von der EU-Biodiversitätsstrategie vorgegeben.“
Waldschutz ist Klimaschutz: Abgesicherte Zertifizierung & Mithaftung in der Lieferkette
Europas Wälder werden von Kahlschlägen, Monokulturen, Waldbränden und klimakrisenbedingten Extremwetterereignissen bedroht. Gleichzeitig verantwortet die EU durch ihre Importe 16 Prozent der weltweiten Regenwaldabholzung. Allein der Import an Rohstoffen von Kakao (80% der weltweiten Einfuhren), Kaffee (60%), Rindfleisch (41%), Mais (30%), Palmöl (25% ), Gummi (25%) und Soja (15%) in die EU verursachen einen großen Anteil an der weltweiten Entwaldung. Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten könnte einen Paradigmenwechsel vollziehen.
„Der Amazonas-Regenwald stößt gerade mehr CO2 aus, als er aufnimmt und funktioniert damit nicht mehr als CO2-Senke. Das Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten ist ein Paradigmenwechsel: die EU schiebt importierter Entwaldung einen Riegel vor. Nun müssen wir das Erreichte in den anstehenden Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten verteidigen. Wir müssen unsere globale Verantwortung ernst nehmen“, so Thomas Waitz.
Widerstand durch Nationalstaaten überwinden
Der Vorschlag der Kommission zur Lieferkette im Februar 2022 war ein guter Schritt. Nun gilt es eine starke Position im Europäischen Parlament zu finden, bevor es in die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und der Kommission geht.
"Nicht nur global werden die Wälder abgeholzt und übernutzt, auch innerhalb Europas gibt es massive Übernutzung, Kahlschläge und Holzdiebstahl aus Urwäldern in großem Stil. Wir können die Übernutzung der Wälder nur mit einer abgesicherten Nachhaltigkeitszertifizierung und einer Mithaftung aller in der Wertschöpfungskette Beteiligten absichern. Davon profitieren auch jene Möbelproduzent*innen, Holzhändler*innen etc., die jetzt schon saubere Lieferketten sicherstellen. Während die EU-Mitgliedstaaten den Zustand europäischer Wälder schönreden, nimmt der Raubbau im rumänischen, estnischen oder spanischen Urwald, der sich auf Satellitenbildern beweisen lässt, unablässig zu. Nur mit einer naturnahen, biodiversitäts- und klimafreundlichen Forstwirtschaft können nachhaltige Rohstoffbeschaffung, Bindung von CO2 im Boden und eine Vielfalt von Pflanzen und Tieren sichergestellt werden."
Widerstand gegen einen einheitlichen Schutz von Wäldern gibt es vor allem von den skandinavischen, baltischen Mitgliedstaaten, aber auch Rumänien und das Landwirtschaftsministerium in Österreich wehren sich gegen strengere Regeln.
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