Selten sprechen Bäuerinnen und Bauern aus Österreich so offen über die vielfältigen Probleme, die ihnen die Handelskonzerne bereiten. Jetzt hat eine heimische Bäuerin genau das getan und sorgt damit im Netz für Begeisterung. Jasmin Schwarz, auf Instagram auch als „Jasi_Farmlife“ mit über 10.000 Follower*innen bekannt und beliebt, kritisiert in einem Video die Eigenmarken-Strategie von BILLA, SPAR, HOFER & Co.
Jüngster Anlassfall dafür ist eine Aussendung des milliardenschweren Konzerns HOFER, der sich damit rühmt, dass gewisse Produkte jetzt dauerhaft billiger werden. Insbesondere Milch, Käse und Joghurt sind davon betroffen, genannt werden dann aber die Eigenmarken-Produkte des Konzerns. Also jene Lebensmittel, bei denen der Supermarkt nicht nur als Händler, sondern auch als Produzent auftritt. Und das ist ein Problem für die Landwirtschaft.
Handel nutzt „beinhart“ seine Marktmacht aus
„Viele wissen nicht, was der Hintergrund ist und was für Schaden die Eigenmarken-Produkte anrichten“ so Bäuerin Zacharias in einem Video. „Ernsthaft? Und wie zum Teufel sollen wir als Landwirte da jetzt reagieren? Es ist zum Weinen mit euch!“ schreibt sie in einem Posting auf Instagram. „Und das Blödeste: Mit dem Kauf dieser Marken, wird die heimische Landwirtschaft Schritt für Schritt zerstört!“ fügt die Bäuerin hinzu.
Im Video zählt sie die bekannten Eigenmarken der Konzerne auf, etwa „S-Budget“ von SPAR oder „Clever“ von REWE. „Ihr wollts Produkte mit höchstem Standard, aber dann zu einem Preis verkaufen, der zum Sau füttern ist!“ verleiht sie ihrem Ärger Ausdruck in Richtung der Handelsketten. „Der Handel nutzt da beinhart seine Marktmacht aus und wir Landwirte sind dem ausgeliefert“ erklärt sie die Ohnmacht, die viele Bäuer*innen in der Situation fühlen.
Hersteller werden austauschbar
Schon die ehemalige Landwirtschafts-Ministerin Elisabeth Köstinger kritisierte damals die Mechanismen im Lebensmittelhandel. Die Lieferanten für Eigenmarken seien einem „extremen Dumping ausgesetzt“, lies sie 2018 verlautbaren. Die Handelskonzerne würden vielfach ohne Herkunftskennzeichnung produzieren und ohne, dass der Erzeuger draufstehen würde – was diesen natürlich leicht austauschbar mache.
Oftmals würden daher auch ausländische Produzenten zum Zug kommen, der Konsument würde darüber aber nicht transparent genug informiert. Das lässt sich nicht nur bei tierischen Erzeugnissen wie Fleisch und Milch erkennen, sondern auch aktuell am Spargel. Da kommen die Produkte für die billigen Eigenmarken nämlich oft aus dem Ausland. Also von dort, wo weit unter österreichischen Standards gearbeitet werden darf.
Bauern erhalten wenig vom Verkaufspreis
Wie wenig die Landwirte von den Verkaufspreisen erhalten, auch darauf geht Bäuerin Zacharias in ihrem Posting ein. „Zudem könnt Ihr Euch vorstellen, wenn das Produkt im Supermarkt schon so billig verkauft wird, wieviel letztendlich dann bei uns ankommt... nämlich fast nix!“. Im Vergleich zu den Margen der Konzerne ist es tatsächlich wenig, was die Landwirte erhalten, obwohl sie den größten Teil der Arbeit leisten.
Bei Milch ist es ungefähr ein Drittel, was den Bauern bleibt - den größten Teil streifen die Supermarkt-Ketten ein. Bei anderen Produkten sind die Spannen noch höher und die Verdienste der Konzerne noch größer, insbesondere dort, wo sie selbst als Produzenten auftreten, also bei den Eigenmarken. Mit ein Grund dafür, wieso die Supermärkte immer mehr Eigenmarken ins Regal legen, was jetzt auf Widerstand bei den Bauern stößt.
Der Politik scheint das Problem bekannt zu sein, sie kündigt eine härtere Gangart an: "Die Abhängigkeit der Bauern vom Lebensmittelhandel ist groß. Dort wird extrem Druck aufgebaut. Wenn bei den Bauern die Preise gedrückt werden, die Endkunden aber weiter höhere Preise zahlen, bleibt die Differenz wohl bei den Lebensmittelkonzernen. Wir haben in Österreich eine Marktkonzentration, wie es sie sonst nirgends in Europa gibt. Wir versuchen, das Problem von mehreren Seiten anzugehen: über Transparenz und das Wettbewerbsrecht. Ich bin davon überzeugt, dass diese Maßnahmen wirken werden" meinte kürzlich Johannes Rauch, Minister für Konsumentenschutz.
Handelskonzerne „erpressen“ Lieferanten
Bäuerinnen und Bauern würden sich einer „Erpressung“ gegenübersehen, so Ministerin Köstinger damals sinngemäß. Das würde es erschweren, dass solche Zustände an die Öffentlichkeit gelangen und die Konsument*innen zu Verbündeten der Erzeuger*innen werden können: „Jeder weiß, wenn er sich da zu Wort meldet, ist er einfach nicht mehr gelistet im Lebensmittel-Einzelhandel“ so die Ministerin in einem Interview damals.
Mittlerweile wurde ein eigenes „Fairnessbüro“ im Landwirtschaftsministerium eingerichtet, der erste Bericht kürzlich veröffentlicht. Ein „System der Angst“ wurde dabei aufgedeckt, Handelskonzerne würden ihre Lieferanten systematisch unter Druck setzen. Umso wichtiger ist es, dass mutige Bäuerinnen und Bauern wie Jasmin Zacharias ihre Stimme erheben und an die Öffentlichkeit gehen. Mögen ihrem Beispiel noch viele folgen.
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