Multinationale Handelskonzerne feiern Rekordgewinne, die bäuerlichen Betriebe in Österreich zahlen die Rechnung. Die Bürgerinitiative oekoreich fordert nun einen Systemwandel.
Ohne große Inszenierung hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger kürzlich neue Zahlen dazu vorgestellt, wie sich die landwirtschaftlichen Einkünfte der heimischen Bäuer*innen entwickeln. Grundlage dafür ist der „Grüne Bericht 2021“, eine jährliche vom Ministerium erarbeitete Bestandsaufnahme zur Situation der Landwirtschaft in Österreich. Und deren Lage kann nur mit einem Wort zusammengefasst: Katastrophal.
Mittlerweile verdienen die Bäuer*innen in Österreich um rund 20 Prozent weniger als noch vor 10 Jahren. Lag ihr durchschnittliches Einkommen im Jahr 2011 noch bei rund 35.000 Euro pro Jahr und Betrieb, sind es 2020 nur noch rund 28.000 Euro gewesen. In den letzten drei Jahren gab es zudem ein Netto-Minus von rund 9 Prozent, die Entwicklung ist also ungebremst schlecht, am Ende verlieren Landwirte jeden Tag Geld.
Jeden Tag müssen mehr Höfe für immer zusperren
Und das, obwohl die Rohstoffpreise genauso wie alle anderen Lebenskosten stark anziehen. Kein Wunder, dass immer mehr landwirtschaftliche Betriebe für immer schließen müssen. Es existieren unterschiedliche Zahlen dazu, mal wird von 7 Höfen pro Tag gesprochen, die zusperren müssen, mal sind es 12 Betriebe pro Tag. Die Verteilung in den Sektoren ist höchst unterschiedlich, besonders betroffen sind etwa die Schweine-Bäuer*innen.
Gleichzeitig verdienen sich insbesondere die Handelskonzerne aktuell eine goldene Nase, insbesondere da sie immer öfter auf importierter Ware zurückgreifen, wie oekoreich zuletzt mehrfach bei Eiern oder Fleisch aufdeckte. Noch nie war die Ertragslage also so günstig für REWE, HOFER & Co wie im Corona-Jahr 2020. Das Bewusstsein bei Konsument*innen für die Wichtigkeit guter Lebensmittel steigt, doch die Landwirte profitieren kaum davon.
Handelsbetriebe streifen Rekordgewinne ein
Denn während die Produzent*innen immer weniger Lohn für ihre ehrliche Arbeit erhalten, streifen die Handelsbetriebe neue Rekordgewinne ein. Als Konsument*innen können wir das kaum beeinflussen, außer wir kaufen bei Direktvermarktern ein. Für die Bürgerinitiative oekoreich, Nachfolgerin des erfolgreichen Tierschutzvolksbegehrens, kommt diese Entwicklung einem Armutszeugnis gleich und verlangt nach einem Systemwandel.
„Zurecht verlangen wir Konsument*innen höchste Standards bei Tierwohl und Naturschutz – aber diejenigen, die sie zu erbringen haben, werden sträflich im Stich gelassen. Die Handelskonzerne schauen nur noch auf ihre Profite und importieren lieber Qualfleisch aus Litauen, wie aktuell HOFER, oder pflegen Geschäftsbeziehungen mit dubiosen Agrarkonzernen aus der Ukraine, wie das REWE macht, statt faire Preise zu bezahlen. Die Politik appelliert gleichzeitig an die Konsument*innen, sie mögen doch bitte heimische Lebensmittel einkaufen, blockiert aber immer noch die verpflichtende Herkunftskennzeichnung. So geht’s nicht mehr weiter, wir werden diese desaströse Dynamik in der Landwirtschaft nicht länger hinnehmen“ sagt dazu Sebastian Bohrn Mena, Sprecher der Bürgerinitiative oekoreich und Initiator des Tierschutzvolksbegehrens.
Die wichtigste Maßnahme zur Steigerung des landwirtschaftlichen Einkommens der Bäuer*innen in Österreich ist die verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln – von verarbeiteten Produkten im Supermarkt bis hin zum Landgasthaus. Denn nur wenn die Konsument*innen auf einen Blick erkennen können, woher das Essen wirklich stammt, können sie sich auch für regionale Waren entscheiden.
Schulterschluss ist einziger Weg für Veränderung
Zudem gilt es die kleinbäuerlichen Betriebe im Zuge der GAP-Reform stärker zu fördern, auch Tierwohl und Naturschutz müssen entsprechend gewürdigt werden. Bislang fließt der Großteil der dutzenden Milliarden an EU-Agrarförderungen an die größten Betriebe und nicht an jene, die es besser machen. Davon profitiert die Massentierhaltung und nicht die kleinbäuerlichen Strukturen, wie sie in Österreich noch vorherrschen.
Nicht zuletzt braucht es aber künftig auch mehr Kommunikation zwischen Konsument*innen und Produzent*innen, um das Bewusstsein für die Wichtigkeit regionaler, tier- und klimafreundlicher Lebensmittel zu schärfen. Plumpe Propaganda und durchsichtiges Marketing helfen da nachweislich nicht. Stattdessen muss man auf authentische Botschaften und Dialog auf Augenhöhe setzen – nur im Schulterschluss liegt die Kraft für Veränderung.
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