Es ist eine bestechend simple Logik: Unternehmen, die hier bei uns viele CO2-Emissionen ausstoßen, kaufen Zertifikate, mit denen sie ihr klimaschädliches Verhalten kompensieren. Die Zertifikate stehen angeblich für konkrete Projekte im globalen Süden, etwa in Indien, in Ländern Afrikas oder Südamerikas. Sie tragen dort dazu bei, dass klimaschädliche Prozesse reduziert werden, was sich wiederum auf die globale Bilanz positiv auswirken würde.
Die deutsche „WirtschaftWoche“ nennt auf Basis von investigativen Recherchen ein konkretes und aktuelles Beispiel. Es handelt sich um ein Staudamm-Projekt in Brasilien, das angeblich durch den Ankauf der Zertifikate ermöglicht wird. Durch den Staudamm, der zu einer klimafreundlichen Stromerzeugung im riesigen südamerikanischen Land beiträgt, werden fossilbasierte Energieprojekte ersetzt – gut fürs Klima, gut für die Umwelt.
Heimische Unternehmen setzen auf Zertifikate
So einfach und logisch das in der Theorie klingt, so unwirksam und irreführend ist es in der Praxis – das zeigen nicht zuletzt aktuelle Untersuchungen von Journalisten. Sie haben herausgefunden, dass viele der verkauften Zertifikate schlicht wertlos sind. Selbst jene, die von den Vereinten Nationen verkauft werden. Die mit den Zertifikaten angeblich finanzierten Projekte wären ohnehin umgesetzt worden, wie Recherchen zeigen.
So etwa das oben genannte Staudamm-Projekt in Brasilien. Wie die „WirtschaftsWoche“ berichtet, wäre der Staudamm so oder so realisiert worden. Das Zertifikatsprogramm, das angeblich den Bau erst ermöglichte, entpuppt sich als irreführend. Und somit sind auch die angeblich „kompensierten“ Emissionen, die in Europa oder den USA in klimaschädlichen Prozessen anfallen, natürlich auch nicht neutralisiert worden.
In Österreich werben zahlreiche große Unternehmen, etwa die Molkerei NÖM, mit ihrer angeblichen „Klimaneutralität“, manche bezeichnen sich sogar als „klimapositiv“. Dass das angesichts dieser groben Mängel im globalen Zertifikatssystem absolut unsinnig ist, das dürfte hoffentlich auch den heimischen Unternehmen nun klar sein. Ob sie ihre Kommunikation darauf aufbauend ändern, das wird sich bald zeigen.
Expertin: „System ist krank“
Expert*innen wie Lisa Panhuber von Greenpeace, finden zu der Problematik drastische Worte: „Ich verstehe, dass viele Bürger:innen und Unternehmer:innen an CO2 Kompensation glauben wollen. Aber die Wahrheit ist: Wir werden damit betrogen, wir belügen uns damit selbst und die Klimakrise wird damit sehr wahrscheinlich sogar weiter angeheizt.“ Es wird demnach ein Bild vermittelt, das einfach nicht der Realität entspricht.
Und sie führt weiter aus, wieso das gesamte System des globalen Zertifikatshandel nicht zielführend ist und dringend andere Ansätze zum Kampf gegen die Klimakrise gefunden werden müssen: „Das sind keine Einzelfälle, das System der Emissionszertifikate ist krank. Wer Klimaschutz will, muss im eigenen Unternehmen, der eigenen Lieferkette, im eigenen Land Emissionen reduzieren. Ablasshandel war noch nie eine gute Idee.“
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