Verena Altenberger zählt zu den gefragtesten Schauspielerinnen ihrer Generation. Diesen Sommer ist sie die Buhlschaft in Salzburg an der Seite von Jedermann Lars Eidinger. Diese Figur sei für sie die Allegorie der Frau, eine kulturelle Langzeitstudie, kommentiert sie ihre Rolle. Mit Susanne Zobl von oekoreich sprach sie über jene Dinge, die ihr abseits der Bühne wichtig sind.
Wenn Verena Altenberger über Leid und Wohl von Tieren spricht, dann weiß sie, was es damit wirklich auf sich hat. Schon als Kleinkind begleitete sie ihre Mutter im Sommer auf die Alm, wo sich die Studentin der Agrarwissenschaft als Sennerin verdingt. Als Verena zum Teenager herangewachsen war, übernahm die Mutter die Direktion landwirtschaftlichen Schule Winklhof, als erste Frau in einem männlich dominierten Bereich, merkt Verena Altenberger an. Ihre Mutter hat damit ihren Traum vom eigenen Bauernhof umgesetzt, erzählt sie. Der Winklhof ist jedoch mehr als nur ein Bauernhof.
Als landwirtschaftlicher Lehrbetrieb muss er alles bieten, was man unterrichten kann: Viehwirtschaft, Milchwirtschaft, eine eigene Metzgerei, Forstwirtschaft, eine Käserei in Kombination mit einem Bauernmarkt, eine Almwirtschaft, Hühner, Bienen, Schweine, Schafe, eine Obstkultur, auch eine Pferdewirtschaft. Als ihre Mutter den Hof übernahm, wurde dort jedoch herkömmliche Landwirtschaft unterrichtet. Das kam für sie nicht in Frage. Sie stellte auf Bio um, machte Schluss mit der Anbindehaltung und lebte vor, wie man mit Tieren respektvoll umgeht.
oekoreich: Hat Sie das Leben mit Tieren auf einem Hof geprägt?
Absolut. Tiere, Tierwohl, Natur – das waren die Leidenschaften meiner Mutter. Diese Werte hat sie mir vermittelt. Mir war es daher schon als Jugendliche sehr wichtig, zu wissen, wie unsere Lebensmittel hergestellt werden. Von meiner Mutter habe ich gelernt, wie viel Zeit, man müsste schon sagen, wie viel Langsamkeit, es braucht, einen traditionellen Hof auf Bio umzustellen. Was das an Kosten und Risiko mit sich bringt.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Als meine Mutter den Hof übernahm, war dort die klassische Anbindehaltung üblich. Da waren die Kühe mit der Kette um den Hals im Stand angebunden. Meine Mutter richtete auf dem Winklhof einen der modernsten Freilaufställe in ganz Österreich ein. Heute tragen dort die Kühe ein Collier mit einem Chip und entscheiden selbst, wann sie ihr Futter holen. Der Futterchip weiß, was die Kuh braucht. Die Tiere können den Stall verlassen und dorthin zurückkehren, wann sie wollen, und im Sommer sind sie auf der Alm. So sollten Kühe gehalten werden, wenn überhaupt.
oekoreich: Wann wurde für Sie vegetarische oder vegane Ernährung interessant?
Ich aß mit sechs Jahren zum ersten Mal vegetarisch. Derzeit würde ich mich als Flexitarierin beschreiben. Wenn zum Beispiel meine Oma zu Weihnachten eine Rindsuppe auftischt, sage ich nicht Nein, lebe aber heute hauptsächlich vegetarisch.
oekoreich: Ich weiß von Tierschützern, auch von Kollegen, die Reportagen über das größte Elend bei Tiertransporten gemacht haben, dass man mit dem totalen Fleischverzicht die als Nutztiere bezeichneten Arten in Gefahr bringen würde. Wie sehen Sie das?
Damit kenne ich mich nicht gut genug aus. Ich habe am Winklhof gesehen, wie man am wenigsten Leid beim Schlachten verursacht. Am Hof gab es einen Metzger. Die Kuh wurde vom offenen Laufstall in den Innenhof geführt und dort getötet. Im Idealfall sollte man überhaupt keine Tiere mehr schlachten, aber wenn es sein muss, dann wohl so. Das Fleisch wurde dann auch direkt am Hof verarbeitet.
oekoreich: Immer mehr Supermarktketten rühmen sich mit günstigen Bio-Produkten. Wie halten Sie es mit Bio-Produkten?
Ideal wäre Bio und regional. Wenn ich die Wahl hätte zwischen einem Bio-Apfel aus Spanien und einem „normalen“ Apfel aus der Steiermark, würde ich den kürzer gereisten regionalen Apfel bevorzugen.
oekoreich: Warum?
Aufgrund der Transportwege. Bei Fleisch, wenn ich welches einkaufen müsste, vor allem in Bezug auf Tierwohl. Mir wäre es so wichtig, Tiertransporte zu verbieten. Und noch etwas: eine klare Kennzeichnung der Lebensmittel. In Supermärkten frage ich oft an der Theke für Frischwaren, ob es z.B. Käse aus Österreich gibt. Meistens sind die Verkäufer*innen mit meiner Frage überfordert und verweisen dann auf die österreichische Fahne auf der Verpackung. Aber die sagt überhaupt nichts aus. Es reicht, dass das Produkt hier verarbeitet oder verpackt ist. Aber das ist letztendlich Betrug an den Konsument*innen.
oekoreich: Würden Sie auch im Restaurant darauf bestehen, zu erfahren, woher Ihr Essen kommt?
Selbstverständlich. Ich frage auch, woher die Eier kommen, wenn ich einen Kaiserschmarren bestelle.
oekoreich: Was aber, wenn der Wirt zugibt, dass die Eier nicht aus Österreich kommen, sondern billig eingekauft wurden?
Es ist wichtig, dass man auf diesen Informationen besteht. Unsere Gesellschaft ist viel zu kapitalistisch, um uns fair produzierte Waren zu garantieren. Wenn wir uns auf den Markt verlassen, dann gute Nacht. Ich bin aber die Letzte, die jemanden verurteilt, der manchmal Fastfood wählt. Denn bei all den Klima- und Umweltschutzfragen, die manchen beim Konsum von Fastfood durch den Kopf gehen, muss der Schwerpunkt von der individuellen Verantwortung zur kollektiven verlagert werden, und Verantwortung von Politik und Wirtschaft eingefordert werden.
Das ist wie beim Flugverkehr. Solange wir auf Einzelpersonen herumhacken, weil die eine Strecke geflogen sind, ziehen wir die Empörung von jenen ab, wo sie hingehört, und das sind Politik und Wirtschaft. Wir brauchen gesamtgesellschaftliche Entscheidungen. Wir müssen mit dem Beschämen und Beschuldigen von Einzelnen aufhören, denn das zieht nur die Energie ab von dort, wo sie hinmuss. Aber ich denke, man kann über alles sprechen, auch bei meinen Filmproduktionen schreibe ich eine E-Mail an die Büros, ob sie Wasserspender haben, oder ob sie etwa vorhaben, Plastikflaschen zu verwenden.
Nur die Empörung muss weg von den Einzelnen, die Rage gegen Individuen muss aufhören. Man muss eine Balance finden zwischen Alles-einfordern-wollen und dem eigenen Handeln. Die wirkliche Empörung sollte bei den Richtigen ankommen
oekoreich: Noch ein Wort zu Ihrer Rolle im „Jedermann“. Die Figuren werden in der aktuellen Ausgabe auf dem Domplatz genderfluid dargestellt. Was bedeutet es für Sie, heute Frau zu sein?
Ich versuche, eine für mich zeitgemäße Interpretation der Frau auf die Bühne zu stellen. Frausein im Jahr 2021 heißt, dass man sich nicht einschränken lassen darf, dass man alles sein kann. Man darf zu sich stehen. Man kann jemanden anderen lieben, muss es aber nicht. Mein Verständnis von Frausein im 21. Jahrhundert ist: I am every Woman.
Verena Altenberger, geboren 1987 in Schwarzach im Pongau, ist österreichische Schauspielerin. Für ihre Rolle im Film "Die beste aller Welten" wurde sie vielfach ausgezeichnet, aktuell ist sie im Kino mit "Me, We" zu sehen. Verena Altenberger ist darüber hinaus ehrenamtliche Beirätin der Gemeinwohlstiftung COMÚN.
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