Schnell muss es gehen und gut schmecken soll es auch. Doch viele Menschen haben immer weniger Zeit sich Gedanken über ihr Essen zu machen und selbst zu kochen. Wer greift da nicht ab und an zu einer Tiefkühlpizza? Laut Statistik kommt das sehr häufig vor und ist auch bei uns absolut kein Randphänomen mehr. Alleine in Deutschland wurden im Jahr 2019 über eine Milliarde (!) Tiefkühl-Pizzen konsumiert. In Österreich gaben in einer Umfrage ganze 16 Prozent der Befragten an, die beliebteste Tiefkühl-Pizza in letzter Zeit gekauft zu haben.
Man muss dafür Verständnis haben, meint Veronika Bohrn Mena, Autorin des Bestsellers „Konzerne an die Kette!“, in der die angesprochene Steinofen-Pizza von Nestlé Wagner eine zentrale Rolle spielt. Wenn am Freitagabend, nach einer anstrengenden Arbeitswoche, die Kinder großen Hunger haben und auf das Essen warten, nebenbei einem selbst auch der Magen knurrt, dann hat der Griff zur Tiefkühlpizza etwas Befreiendes. Nach spätestens 20 Minuten ist die Pizza durch, die Kinder befriedet und der Haussegen nicht gefährdet.
Abgründe auch hinter Lebensmitteln, bei denen man das nicht vermuten würde
Kürzlich war die Autorin zu Gast in der ORF-Radiosendung „Mahlzeit Burgenland“ und sprach über ihre Recherchen zum Buch. Ausgangspunkt war für sie selbst die Frage, woher die Zutaten auf der Tiefkühlpizza eigentlich stammen. Die Angaben auf der Packung klingen gut, doch was steckt wirklich drin? Zutat für Zutat widmete sie sich der Erkundung der Hintergründe der Nestlé-Pizza und stieß dabei auf wahre Abgründe. Diese verbergen sich hinter Lebensmitteln, bei denen man das nicht vermuten würde - etwa den Tomaten.
Sie fand heraus, dass zum Beispiel die Arbeits- und Lebensbedingungen für die Ernte-Arbeiter*innen nur als katastrophal bezeichnet werden können. Oft sind es Flüchtlinge, Menschen ohne Visum oder Aufenthaltsgenehmigung, die in Italien oder Spanien das „rote Gold“ für die Konzerne ernten. Ihnen bleibt dafür oft nur ein Hungerlohn – wenn sie überhaupt Geld dafür bekommen. Untergebracht sind viele von ihnen in Zelten oder Wellblechhütte ohne fließendes Wasser oder Stromanschluss.
Zerstörte Natur, gequälte Tiere
„Das ist nichts anderes als moderne Sklaverei“ bringt es Veronika Bohrn Mena in der Radiosendung auf den Punkt. Neben dem menschlichen Leid dürfe man aber auch die gewaltige Umweltzerstörung nicht außer Acht lassen, die mit dem Anbau verbunden sei. Dank der riesigen Treibhäuser aus Plastikplanen ist eine gigantische Landschaft ohne Grünflächen, ohne Bäume und ohne sauberes Wasser entstanden. Die zerstörte Natur ist der hohe Preis für die billige Tomatensauce auf der Tiefkühlpizza.
Und natürlich darf das Fleisch auf der Tiefkühl-Kost nicht fehlen, denn Salami ist die meistverkaufte Sorte unter den Pizzen. Das Fleisch dafür stammt aus Fabriken, in denen nicht nur die Menschen miserabel behandelt werden, man erinnere sich etwa an den Tönnies-Skandal, sondern auch die Tiere. Die gigantischen Mengen an Fleisch werden nicht unter Standards erzeugt, die etwas mit Tierwohl zu tun haben. Es zählt alleine die Masse und die Geschwindigkeit, nicht das Wohlergehen der armen Tiere.
Die Lebensmittel-Verschwendung wird einkalkuliert
Nicht zuletzt weist sie auf die negative Klimabilanz hin, die mit der Erzeugung der Tiefkühlpizzen verbunden ist. Tausende Kilometer legen Tomaten, Käse, Getreide und Fleisch zurück, von den Ländern des Anbaus bis zur Herstellung in der Nestlé-Fabrik bis hin zu den Kühlregalen der Handelskonzerne, die sich daran ein goldenes Näschen verdienen. Mit immer absurderen Preis-Aktionen werden Menschen dazu gelockt sich gleich 5 Stück auf einmal zu kaufen, selbst wenn sie die nicht brauchen. Ein Treiber für Verschwendung.
„Die Konsument*innen haben natürlich die Möglichkeit sich gegen konkrete Produkte zu entscheiden, doch im Grunde ist es überall das gleiche. Solange nicht draufstehen muss, woher die Zutaten wirklich kommen und wie sie erzeugt wurden, solange können wir nicht die Verantwortung auf die Menschen verlagern. Wir müssen die Konzerne zur Transparenz zwingen, von selbst werden sie ihre Lieferketten nicht offenlegen“ sagt Veronika Bohrn Mena, die selbst von den Erkenntnissen ihrer Recherchen überrascht war.
Auch in Österreich soll ein Gesetz die Konzerne zur Haftung zwingen
In ihrem Buch „Konzerne an die Kette!“, das in der ersten Woche nach Erscheinen bereits in die Bestseller-Liste eingestiegen ist, hat sie nicht nur die Steinofenpizza von Nestlé Wagner analysiert, sondern sich auch anderen Produkten gewidmet, etwa dem IPhone oder Turnschuhen. Doch bei Lebensmitteln komme erschwerend hinzu, dass Tiere, Natur und Menschen oftmals gleichermaßen unmittelbar betroffen sind, so die Autorin, weswegen ihr das Thema ganz besonders am Herzen liege.
Damit sich was ändert verfolgt sie neben der Aufklärungsarbeit in Form von Buch und Vorträgen auch einen Gesetzeswandel. Als ehrenamtliche Sprecherin der Bürger*innen-Initiative für ein Lieferkettengesetz kämpft sie aktuell für schärfere Bestimmungen für multinationale Konzerne. Andere Länder würden bereits zeigen, dass es möglich sei die Großunternehmen zu Transparenz und Haftung zu verpflichten. Veronika Bohrn Mena möchte das mit ihren Mitstreiter*innen auch in Österreich umsetzen.
Das Gespräch mit Veronika Bohrn Mena im ORF Burgenland kann man hier nachhören. Das im renommierten Brandstätter Verlag erschienene Buch „Konzerne an die Kette!“ gibt’s nicht nur kostenfrei zu jedem Förder-Abonnement von oekoreich+ dazu, sondern kann auch hier bestellt werden.
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