Letzte Woche war ich in einem Arbeiterslum in Süditalien, es liegt unweit von beliebten Urlaubsorten, in denen Menschen ihre Zeit genießen. Dort leben je nach Ernte- Saison zwischen 3.000 und 6.000 Menschen. Die meisten von ihnen sind Flüchtlinge ohne Papiere, die anderen sind Wanderarbeiter*innen aus Rumänien oder Bulgarien.
Es gibt dort kein fließendes Wasser, keine Toiletten oder Strom. In ihren Behausungen, die aus Müll oder alten Containern bestehen, ist es extrem heiß, rund um die kleine Stadt türmen sich riesige Müllberge. Das Slum liegt zwischen gigantischen Feldern, mitten im Nirgendwo. Unmittelbar angrenzend liegt ein Flüchtlingsaufnahmezentrum.
Das italienische Arbeiterslum ist aufgebaut wie eine Stadt. Es gibt Baracken als „Lebensmittelgeschäfte“, in alten Kanistern wird Trinkwasser verkauft, auf Brettern werden (gebrauchte) Arbeitsschuhe angeboten. In einer anderen Hütte werden Haare geschnitten und in einem Sperrholzbau ein gehäutetes Schaf zerlegt.
Systematische Ausbeutung von Geflüchteten
Die Bauern von den landwirtschaftlichen Betrieben aus der Gegend holen sich dort früh morgens die Arbeiter*innen einzeln oder in kleinen Gruppen ab und bringen sie gegen 20 Uhr wieder zurück. Sie stehen 12 Stunden am Stück gebückt in der Sonne und werden nach der Menge der Kisten an Gemüse bezahlt, das sie hier ernten.
Hier wird systematische Ausbeutung betrieben und meiner Meinung nach gezielt auf Flüchtlinge und Arbeiter*innen ohne Papiere zurückgegriffen. Weil niemand sonst für so wenig Geld unter diesen Bedingungen arbeiten würde. Die Arbeiter*innen erhalten für ihre harte körperlicher Arbeit unter widrigsten Bedingungen 15 bis 20 Euro pro Tag.
Direkt an den Feldern warten LKW-Fahrer, die ebenfalls unter furchtbaren Bedingungen wochenlang durchgehend über Europas Straßen brettern müssen. Die meisten von ihnen stammen aus Osteuropa oder der Ukraine. Ohne diese unterbezahlten, ausgebeuteten Menschen, wären unsere Supermarkt-Regale de facto leer.
Die Sklavinnen und Sklaven der Handelskonzerne
Und die Ausbeutung geschieht nicht nur auf den Feldern, denn es werden hier auch Arbeiter für Bauarbeiten oder die Fabriken abgeholt. Einige der Frauen aus dem Slum sitzen halb nackt auf Klappstühlen an den naheliegenden Straßenkreuzungen und Kreisverkehren. Ob sie sich freiwillig prostituieren, darf hinterfragt werden.
Dass Menschen mitten in Europa so leben und arbeiten ist für die meisten Menschen wohl kaum vorstellbar. Aber es ist ein riesiges System, das alleine in Italien rund 500.000 Arbeiter*innen umfasst. Es sind die Sklavinnen und Sklaven unserer Handelskonzerne, wir essen, was sie ernten & schlachten.
In eigener Sache: Wir arbeiten unabhängig von Parteien und Konzernen. Um unseren Fortbestand zu sichern, sind wir auf Abonnent*innen angewiesen. Bitte schließen Sie jetzt ein Abo ab und ermöglichen Sie damit unsere Berichterstattung. Danke!