Möglicherweise haben auch Sie diese Erfahrung schon gemacht. Das Frühstücksbuffet des Hotels ist üppig bestückt, Obstsalat, ein reiches Sortiment an Käsespezialitäten oder Baked Beans laden zum ausgiebigen morgendlichen Mahl. Da fehlt nichts. Warum nicht auch etwas von der Eierspeis probieren? Doch kaum öffnet man den Chafing-Dish, weiß man, dass man nicht in Österreich ist. Eine blasse Masse, durchzogen von einem seltsamen Graugelb verbirgt sich unter dem Deckel. Offensichtlich wurde hier der Begriff „Rührei“ wirklich wörtlich genommen und dieses Etwas aus Eipulver gefertigt. Die frisch gekochten Eier lässt man da besser, wo sie sind, denn woher die stammen, wird nicht angegeben.
Die Verfasserin dieser Zeilen hat diese Erfahrung an den Frühstückstischen europäischer Hotels nicht nur einmal gemacht. Ein weiches Ei? Besser erst zu Hause daran denken, denn woher diese Eier kommen, ist nicht angegeben. Wären sie nicht aus einer Käfighaltung, wären sie gentechnikfrei oder sogar Bio, wäre das sicher affichiert. In Österreich braucht man derlei Überlegungen gar nicht anstellen, denn Österreich ist das erste Land in der EU, das die Käfighaltung abgeschafft hat. Nicht nur aus diesem Grund kann man bedenkenlos Eier kaufen. Egal, ob Bio-Freiland-, herkömmliche Freiland- oder Bodenhaltung, man kann in jedem dieser drei Fälle sicher sein, dass keine der gefiederten Eierproduzentinnen leiden musste. Denn da herrschen seit zehn Jahren hohe Standards in der Hühnerhaltung, ein Griff ins Regal genügt und man ist bestens versorgt. Oder sollte man sagen, war man versorgt. Denn seit einigen Tagen ist Aufmerksamkeit beim Eierkauf gefordert, zumindest in der Supermarktkette Penny. Denn diese führt nun auch Billig-Eier aus Deutschland.
90 Prozent Selbstversorgung
„Der Lebensmitteleinzelhandel hat sich vor Jahren dazu bekannt, ausschließlich österreichische Eier anzubieten“, erklärt Franz Kirchweger, Obmann der EZG Frischei. Es sei grotesk, dass nun ausgerechnet der REWE-Konzern, der einer der ersten war, der keine ausländischen Eier und keine Käfigeier in den Regalen hatte, der erste ist, der dieses Tabu bricht und Eier aus Deutschland in seine Regale stellt. „Das ist mehr als ein Schlag ins Gesicht für die österreichische Eierproduktion“, kommentiert Kirchweger. Abgesehen davon, dass überhaupt keine Notwendigkeit für den Import von Eiern besteht. 1.800 Legehennenhalter versorgen das Land mit 2,2 Milliarden Eiern im Jahr, erklärt Michael Wurzer, Geschäftsführer der ZAG, der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der Geflügelwirtschaft in Österreich. Der Selbstversorgungsgrad liege bei 90 Prozent, wir haben circa 1.800 Legehennenhalter in Österreich, die 2,2 Milliarden Eier pro Jahr produzieren. Laut Statistik Austria lag der Kopf-Verbrauch im Jahr 2019 bei 242 Eiern. Europaweit lag Österreich damit im Jahr 2017 hinter Dänemark und knapp vor Deutschland auf Platz drei der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Konsum von Eiern.
Knapp 58 Prozent der im Lebensmitteleinzelhandel abgesetzten Eier im Jahr 2019 stammen aus Bodenhaltung, 29 Prozent aus Freilandhaltung. 14 Prozent der Absatzmenge waren Bio-Eier. Die Bodenhaltung geht stetig zurück, während die Hühnerhaltungsmethoden Freiland und Bio immer weiter ansteigen. Der Umsatz mit Bio-Eiern ist zwischen 2012 und 2019 um knapp 50 Prozent gestiegen. „Im Normalfall sei man immer in allen Haltungsformen lieferfähig“, so Wurzer. „Bio ist manchmal knapp, aber das hängt natürlich auch immer davon ab, ob der Lebensmitteleinzelhändler bereit ist, die Kosten zu übernehmen. Wenn der Preis zu sehr gedrückt wird, dann bekommt die Bio-Eier ein anderer Kunde“, führt Wurzer fort. „Wenn man bei Penny auf die Kassenzettel blickt, steht auf jeder Rechnung steht, ,wir sind Österreich’. Da sieht man, welche Einstellung REWE zu den heimischen Bauern hat. Denn die können nicht um derlei Dumping-Preise produzieren."
"Um diesen Preis kann niemand produzieren"
1,29 Euro kosten 10 Eier, ein einzelnes sei damit 13 Cent zu haben. „Um diesen Preis kann niemand produzieren“, so Kirchweger und schon gar nicht in diesen Zeiten. Er weiß aus eigener Erfahrung, wovon er spricht, denn er selbst führt einen Hof mit 8.000 Hennen in Bodenhaltung. Eine Henne legt rund 300 Eier im Jahr, 13 Monate ist sie im Einsatz, bis sie ihrer letzten Bestimmung zugeführt wird. Die meisten Legehennen erweisen als Suppenhühner den Menschen ihren letzten Dienst. In Österreich gibt es nur familiengeführte Betriebe. Die Bauern haben eine Beziehung zu ihren Tieren, beschreibt Kirchweger das Leben auf Österreichs Höfen. Die meisten Betreibe in Österreich seien sehr klein struktuiert und familiär geführt. Dennoch könne man den Markt abdecken.
Es braucht die verpflichtende Kennzeichnung
Nicht genug damit, dass etwas importiert wird, dass im eigenen Land im Überfluss vorhanden ist, komme die Einfuhr dieser Billig-Eier zu einem höchst ungelegenen Zeitpunkt erklärt Kirchweger. „In den vergangenen eineinhalb Jahren, seit dem Ausbruch des Corona-Virus hat die Eierproduktion in Österreich durch den Wegfall der Hotellerie und der Gastronomie sehr gelitten. Vor der Pandemie haben Hotellerie und Gastronomie 40 Prozent der Eier gebraucht, der Lebensmitteleinzelhandel nur 35 Prozent. Jetzt ist dieses Segment bis zu 95 Prozent weggebrochen. Der Lebensmitteleinzelhandel hat aber nur über 15 Prozent mehr gebraucht. Das heißt, wir haben jetzt jede Menge Ware in Österreich und das von bester Qualität“, so Kirchweger. Das heißt, wir haben zu viele Eier. Könnte man die nicht für die Produktion von Ei- Produkten einsetzen? „Das sind Tiefpreisprodukte, ohne verpflichtende Kennzeichnung der Herkunft und Haltungsform. Auf den Lebensmitteln ,mit Ei’ wie Nudeln und Kuchen werden sehr oft die billigsten Eiprodukte verwendet. Und die kommen aus der Käfighaltung. Also ein Großteil der 10 Prozent, die wir nicht produzieren, dürften aus der Käfighaltung stammen. Wir brauchen deshalb die verpflichtende Kennzeichnung, damit die Menschen eine echte Wahlfreiheit haben und sich bewusst für das tierfreundlichere Produkt entscheiden können“, so Wurzer.
Zu einem ungünstigeren Zeitpunkt hätte der Import demnach kaum kommen können. Denn im vergangenen Jahr brach nicht nur das Virus aus, es explodierten auch die Produktionskosten. Diese stiegen um ein Drittel, denn die Futterpreise sind massiv gestiegen. Der Preis von Donau-Soja, dem Grundnahrungsmittel von Hühnern, denn die heimischen Bauern verfüttern fast ausschließlich europäischen Donau-Soja, habe sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Warum das so ist, kann niemand wirklich erklären. Aber es ist fatal für die heimischen Bauern, die sich dazu verpflichtet haben, ausschließlich Donau-Soja und heimisches Getreide zu verfüttern. Doch nicht auf die Qualität des Futters wird großer Wert gelegt, auch bei der Haltung muss alles stimmen.
Höchste Tierschutzstandards
„In Österreich haben wir Tierschutzstandards, wie man sie weltweit nirgendwo findet“, sagt Kirchweger. Auch die Hygienestandards seien extrem hoch. Der Weg eines einzelnen Eis kann vom Nest bis zum Eierbecher, oder wo auch immer das Ei seine Bestimmung findet, verfolgt werden. Das geschieht so. Jedes einzelne Ei muss beim Bauern gekennzeichnet werden. Der Stempel weist Haltungsform und Betriebsnummer aus. Gibt man diese in die österreichische Eierdatenbank ein, erfährt man, woher das Ei stammt, wer der Landwirt ist und wie die Hühner gehalten werden. „Wir haben ganz genaue Vorschriften, alles wird genau kontrolliert“, so Kichweger. Zudem ist jeder Betrieb Mitglied beim österreichischen Gesundheitsdienst eingeschrieben. Das vereinfacht Kontrollen, und die sind sehr präzise. alle Auflagen eingehalten werden, die Besatzungsdichte, das Produktionsmanagement, die Temperatur im Stall, Klima, Licht, Belüftung und was ihm sonst noch auffällt.
Jeder Betrieb wird laufend kontrolliert und das in unregelmäßigen Abständen, auch mehrmals im Jahr. Der Kontrolleur kommt selbstverständlich unangemeldet werden. Sollten Medikamente für die Tiere gebraucht werden, dürfen diese nur vom betreuenden Tierarzt ausgegeben werden. „Die Tierschutzstandards sind in Österreich einzigartig. Dann passiert so etwas, dass eine Handelskette die österreichischen Bauern links liegen lässt und ausländische Ware im Regal anbietet“, sagt Kirchweger. Unter welchen Bedingungen Hennen in anderen Ländern produzieren müssen, lässt sich nicht so leicht für uns überprüfen. „Wenn zukünftig Penny weiterhin ausländische Frischeier vermarktet und andere Handelsketten das auch tun, dann werden wir durch die niedrigeren Preise immer mehr an Marktanteilen verlieren. Um da dann noch einigermaßen preislich mithalten zu können, müssten dann Einsparungen in der Produktion passieren, das könnte bedeuten, dass wir gezwungen werden aus der gentechnikfreien Fütterung - Herkunft Donau Soja aussteigen müssen. Das möchten wir unbedingt vermeiden“, erklärt Michael Wurzer.
Wie lange halten wir diese sinnfreie Vergeudung von Ressourcen aus?
Denn Gentechnik verändertes Futter ist deutlich billiger am Markt erhältlich. Also noch mehr Soja aus dem Regenwald, weitere Transportwege. Man will sich das alles nicht vorstellen. Reicht es nicht, sich die sinnlosen Kilometer auszurechnen, die Eier über die Autobahn geschickt werden. Im Fall des Import durch Penny sollen es rund 1.000 Kilometer aus dem deutschen Schöppingen sein.
Dass der Transport keinesfalls zur Qualität der Eier beträgt, versteht sich von selbst. Man mag behaupten, dass Eier das aushalten, aber wie lang halten wir diese sinnfreie Vergeudung von Ressourcen aus? Wie lange sollen wir noch zusehen, wie alles, was mühsam zum Wohl der Tiere durchgesetzt wurde, zunichte gemacht wird, nur weil eine Handelskette ihren Umsatz steigern will, und manche glauben, dass sie sich ein paar Cent ersparen. Doch wer billig kauft, kauft teuer. Der Preis ist hoch. Er geht auf Kosten der Tiere, der Natur und der heimischen Bauern. Wollen wir das wirklich? Wir haben die Wahl. Wir können entscheiden, ob künftig noch mehr Eier importiert werden. Das wird geschehen, wenn wir sie kaufen. Wollen wir das? Wollen Sie das?
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