Mein Name ist Chiara Brammer, ich bin 23 Jahre alt. Aktuell studiere ich Digital Marketing und Kommunikation an der FH St. Pölten und beginne mit dem Verfassen meiner Masterarbeit. Für diese Arbeit habe ich mir ein Ziel gesetzt: Ich möchte eine Veränderung anstoßen. Konkret soll durch meine Masterarbeit das Tierwohl in Österreich gesteigert werden, indem ich erforsche, wie man Konsument*innen zu einem nachhaltigeren Konsumverhalten bewegen kann.
Für oekoreich verfasse ich exklusiv eine Artikel-Reihe zur Entstehung meiner Arbeit und teile darin meine Gedanken und Erfahrungen, wie man auch als ganz "normale" Person einen Beitrag zu etwas Großem leisten kann. In diesem ersten Artikel gebe ich einen Einblick, wie ich auf mein Thema gekommen bin und warum es so wichtig ist sich damit auseinanderzusetzen.
Tierwohl - unser aller Verantwortung
Begonnen hat mein Wille zur Veränderung bereits in der Volksschule beim Ausflug zum Bio-Bauernhof. Bis heute kann ich mich an den Moment erinnern, als ein Ferkel mit seiner kleinen Nase meine Hand angestupst hat. Nach Hause gekommen bin ich dann als entschlossene 8-jährige Vegetarierin. Dass man in den frühen 2000ern, insbesondere als Kind, damit noch nicht sehr ernst genommen wurde, ist wohl für viele nachvollziehbar.
Auf meine Aussage "Ich esse kein Fleisch" habe ich regelmäßig die ernstgemeinte Gegenfrage bekommen "Aber Wurst schon, oder?". Was Vegetarier*innen essen und nicht essen darf ich aber auch nach über 10 Jahren noch erklären, trotzdem hat sich so vieles zum Guten gewandt. Ich schaue mit großer Freude auf Statistiken, die den steigenden Anteil an Vegetarier*innen und Veganer*innen in der Bevölkerung angeben. Diese Entwicklung erinnert mich daran, warum jede*r einzelne etwas bewirken kann. Meine vorwissenschaftliche Arbeit, die ich zur Matura schreiben musste, trug den Titel "Massentierhaltung von Hühnern in Österreich".
Schon damals wollte ich mich mit einem Thema befassen, das einen gesellschaftlichen Mehrwert liefert und nicht in einer Schublade verstaubt. Für mich war meine vorwissenschaftliche Arbeit bereits ein wichtiger Schritt, da ich erste Kontakte mit Tierschützer*innen und Landwirt*innen geknüpft und schon früh erkannt habe, dass man derartige Themen immer aus vielen verschiedenen Perspektiven beleuchten muss, um eine übergreifende Lösung entwickeln zu können.
Oft wird diskutiert, bei wem die Verantwortung für Nachhaltigkeit und Tierwohl liegt. Politik, Lebensmittelindustrie, Landwirtschaft, Konsument*innen, in meinen Augen sind wir es ALLE. Ja, die Politik soll strengere Regelungen einführen und Förderungen für vorbildliche Tierhaltung vergeben. Ja, die Lebensmittelindustrie soll sich selbst höhere Grenzen setzen. Ja, die Landwirtschaft soll auf Qualität statt Quantität setzen. Aber solange von den Konsument*innen die Nachfrage nach immer mehr und immer günstigeren Produkten besteht, müssen wir uns auch selbst an der Nase nehmen und hinterfragen, ob es keine Alternativen gibt.
Ich spreche nicht davon, dass alle Österreicher*innen sich vegetarisch oder vegan ernähren sollen. Ich spreche davon, dass der Konsum in ein Extrem abgerutscht ist, wodurch nicht nur zu viele tierische Lebensmittel konsumiert werden, sondern auch ein großer Teil davon im Müll landet. Aus diesen Gründen sehe ich die Verantwortung sehr wohl auch bei uns Konsument*innen und möchte mit meiner Arbeit ein Modell erarbeiten, durch welches bessere Konsumentscheidungen getroffen werden (können).
Problem – Gütesiegeldschungel
Der erste Schritt in meiner Themenfindung war es mir zu überlegen, wie ich mein persönliches Anliegen, die Tierwohlsteigerung, mit Marketing verbinden kann. Bei meiner Recherche bin ich schließlich auf das Thema Gütesiegel gestoßen. Fast die Hälfte der Österreicher*innen achtet beim Lebensmitteleinkauf auf Gütesiegel. Doch als Konsumentin habe ich mich selbst schon oft im Gütesiegeldschungel wiedergefunden.
Die Auswahl an Bio-Marken und Bio-Siegeln hat Ausmaße erreicht, in denen man schlicht und einfach den Überblick verliert und nicht mehr jedes einzelne Siegel nachprüfen kann. Oft fehlt es an transparenten Angaben zu ethischen und ökologischen Kennzahlen wie Tierwohl, CO2-Fußabdruck und Co., was einen Vergleich unterschiedlicher Produkte zusätzlich erschwert. Selbst als bemühte Konsumentin, der Tierwohl und Nachhaltigkeit am Herzen liegt, bin ich damit massiv eingeschränkt in einer bewussten Auswahl.
Eine transparente und nachverfolgbare Wertschöpfungskette ist dabei ein wichtiger Schritt, um bewusste Kaufentscheidungen treffen zu können. Diese Relevanz ergibt sich insbesondere dadurch, dass es bei einer solchen Fülle an Bio-Siegeln und Bio-Marken an allgemeine Standards und Kontrollen mangelt, wodurch deren Aussagekraft zunehmend hinterfragt werden muss.
Tierwohlskala - mehr Klarheit beim Einkaufen
Klar ist: mangelnde Transparenz und eingeschränkte Vergleichbarkeit der Produkte sind große Probleme im Lebensmittelsektor. Um diesen Problemen entgegenzuwirken, erstelle ich im Rahmen meiner Masterarbeit eine mehrstufige Tierwohlskala. Die Skala wird auf der Verpackung tierischer Lebensmittel platziert und nimmt hier eine ähnliche Funktion wie ein klassisches Gütesiegel ein, mit dem Unterschied, dass durch eine einfache Skala automatisch eine massentaugliche Vergleichbarkeit entsteht.
Diese Skala lässt sich in den Bereich des Nudgings einordnen. Nudging ist ein Modell zur Veränderung der Entscheidungsarchitektur, um ein bestimmtes Verhalten auszulösen. Ein einfaches Beispiel ist die Auswahl beim Buffet. Studien haben gezeigt, dass Personen vermehrt zu Obst greifen, wenn es vor den Desserts und in Griffnähe liegt.[3] Eine kleine Veränderung im Entscheidungsumfeld, in diesem Fall die Anordnung am Buffet, kann demnach bereits einen großen positiven Einfluss mit sich ziehen.
Eine Unterkategorie im Nudging ist das sogenannte Green Nudging, welches im Rahmen meiner Arbeit vorrangig behandelt wird. Hierbei liegt der Fokus auf einem nachhaltigeren Konsumverhalten und wie man dieses Fördern kann. Durch kleine Anstöße, wie die Zusatzinformation einer Tierwohlskala, sollen Konsument*innen mehr Transparenz und Vergleichbarkeit erlangen und in weiterer Folge "bessere" Kaufentscheidungen treffen.
Nächste Schritte
Die nächsten Themen, mit welchen ich mich im Rahmen meiner Masterarbeit befasse, sind Studien rund um das Thema Green Marketing, Nudging und Gütsiegel. Auch Theorien zum Konsumverhalten fließen in den ersten Teil meiner Arbeit ein. Im Anschluss an den theoretischen Teil führe ich Expert*inneninterviews mit Politiker*innen, Personen aus der Lebensmittelindustrie, Landwirt*innen und Tierschützer*innen durch.
Aus den Erkenntnissen dieser Interviews leite ich dann eine möglichst praxisnahe Tierwohlskala ab, um sie anschließend im Rahmen einer Onlinebefragung bei den Konsument*innen abzutesten. Konsument*innen nehmen in meiner Arbeit eine essenzielle Rolle ein, schließlich geht es um ALLE Personen, die durch eine Veränderung in ihrem täglichen Konsumverhalten einen Beitrag zu mehr Tierwohl leisten.
Ich halte Sie über meine Masterarbeit am Laufenden und freue mich später auch Ihre Perspektive in meine Arbeit aufzunehmen.
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