Viele hochproblematische Chemikalien verschmutzen die Umwelt und bedrohen dadurch die Artenvielfalt. Davor warnen Wissenschafter im Fachjournal "Science". Von Entscheidungsträgern würde allerdings die Komplexität dieser Umweltverschmutzung unzureichend erfasst, meinen sie und appellieren dafür, im aktuellen Entwurf für ein neues Biodiversitätsabkommen mehr Umweltschadstoffe zu berücksichtigen.
Anlass für den Appell der internationalen Forschergruppe um Gabriel Sigmund vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien und Ksenia Groh vom Wasserforschungsinstitut Eawag (Schweiz) sind die in Nairobi (Kenia) stattfindenden internationalen Verhandlungen zu einem neuen Biodiversitätsabkommen ("post-2020 Global Biodiversity Framework"). Im Entwurf zu dem Abkommen werde chemische Verschmutzung zwar erwähnt, dabei aber nur Nährstoffe, Pestizide und Plastikmüll berücksichtigt. Das Papier "greift damit zu kurz", so Sigmund.
Damit werde das Abkommen der immensen Vielfalt menschengemachter Chemikalien nicht gerecht. So seien bisher im Entwurf für das Abkommen toxische Metalle, Industriechemikalien, Chemikalien aus Konsumgütern, Arzneimittel sowie die oft unbekannten Umwandlungsprodukte dieser Chemikalien nicht berücksichtigt.
Hohe Konzentration in Körpern von Walen nachjgewiesen
Bedrohlich für die Artenvielfalt seien diese Chemikalien nicht nur, weil sie Tiere und Pflanzen direkt vergiften können. Sie würden auch indirekt auf Organismen wirken, indem sie deren Lebensbedingungen und Funktionen beeinträchtigen. Das könne zum Rückgang oder sogar zum Aussterben empfindlicher Arten beitragen. Als Beispiel nennen die Forscher die Bedrohung der Populationen von Schwertwalen vor den Küsten Kanadas, Brasiliens, Japans und Gibraltars, die hohe Konzentrationen von Industriechemikalien in ihrem Körper aufweisen.
Eine weitere Gefahr sehen die Forscher in der Verringerung der genetischen Vielfalt von Pflanzen und Tieren, wenn sich diese an die chemische Belastung anpassen. Damit sinke aber auch ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressfaktoren wie der globalen Erwärmung. "Solche indirekten Effekte der chemischen Verschmutzung und unzählige weitere Wechselwirkungen mit anderen Stoffen, die die biologische Vielfalt und die Ökosysteme bedrohen, werden ignoriert, wenn der Fokus auf Nährstoffe, Pestizide und Plastik begrenzt wird", betonte Sigmund.
(oekoreich/APA)
In eigener Sache: Wir arbeiten unabhängig von Parteien und Konzernen. Um unseren Fortbestand zu sichern, sind wir auf Abonnent*innen angewiesen. Bitte schließen Sie jetzt ein Abo ab und ermöglichen Sie damit unsere Berichterstattung. Danke!