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Meinung

Exklusiv: Neue Tierwohlskala könnte Konsumverhalten massiv verändern

Eine neue Studie zeigt jetzt erstmals die Effekte einer leicht verständlichen Tierwohlskala.

2/28/2023
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Exklusiv: Neue Tierwohlskala könnte Konsumverhalten massiv verändern

Ein Blick in die Supermarktregale zeigt, wie groß unsere Auswahl an Lebensmitteln heutzutage ist. Doch fast so groß wie die Anzahl an Produkten, ist auch die Anzahl an Logos, Marken und Gütesiegeln. Selbst Konsument*innen, die auf Nachhaltigkeit und Tierwohl achten möchten, haben oft Schwierigkeiten die Unterschiede zu erkennen.

Dieser Problematik habe ich mich im Rahmen meiner Masterarbeit gewidmet und dazu eine Tierwohlskala erstellt. Die Skala soll für die notwenige Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen den Produkten sorgen und den Konsument*innen dadurch eine bewusste Kaufentscheidung ermöglichen. Für oekoreich habe ich bereits drei Artikel zu diesem Thema veröffentlicht. In meinem ersten Artikel kann nachgelesen werden, wie ich zu dem Thema kam.

Im zweiten Artikel habe ich den aktuellen Forschungsstand thematisiert und in meinem dritten Artikel ging es schließlich um die Ergebnisse meiner Expert*inneninterviews. Diese Interviews habe ich vor der Konsument*innenbefragung durchgeführt, um eine möglichst realitätsnahe Skala entwickeln zu können. Hier habe ich mit Landwirt*innen, Politiker*innen und Vertreter*innen von Gütesiegeln und Handel gesprochen. Abgeleitet aus den Expert*inneninterviews entstand folgende Skala:

nullChiara Brammer
Tierwohlskala nach Chiara Brammer
Die Skala

Eine detaillierte Herleitung der Skala kann in diesem Artikel nachgelesen werden. Zum besseren Verständnis erkläre ich an dieser Stelle kurz die vorläufigen Bedeutungen der einzelnen Skalenstufen. Beginnend im roten Bereich, kennzeichnet die Stufe D jene Produkte, die in Sachen Tierwohl den gesetzlichen Mindeststandard einhalten. Stufe C beinhaltet all jene Produkte, bei welchen über die gesetzlichen Mindeststandards im Bereich Tierwohl hinausgegangen wird. Stufe B umfasst Produkte, die in Bezug auf Platzangebot, Auslauf Beschäftigungsmaterialien, etc. mit dem EU-Bio-Logo gleichzusetzen sind und Stufe A sind all jene, die noch über diese EU-Bio-Richtlinie hinausgehen.

Dabei muss angemerkt werden, dass ich mich bei der Skala ausschließlich auf das Thema Tierwohl beziehe und demnach auch konventionelle Betriebe, die hohes Tierwohl gewährleisten, in den Stufen A und B landen können. Die finale Untergliederung in die einzelnen Stufen muss außerdem in einem späteren Schritt durch Veterinärmediziner*innen, und Tierwohl-Expert*innen erfolgen

In diesem Artikel werden nun die Ergebnisse der Konsument*innenbefragung übersichtlich dargestellt. Diese Befragung habe ich in Zusammenarbeit mit einem Marktforschungspanel im Sommer 2022 repräsentativ für die österreichische Bevölkerung im Alter von 20-49 Jahren durchgeführt. Es wurden also Personen befragt, die in Bezug auf Alter, Geschlecht und Bundesland gleich verteilt sind, wie die österreichische Bevölkerung, was Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung in dieser Altersgruppe zulässt.

Status Quo vs. Tierwohlskala

Zu Beginn meiner Umfrage wollte ich von den Umfrageteilnehmer*innen wissen, wie gut sie ihr Bewusstsein beim Einkaufen aktuell einschätzen. Also ob sie sich aktuell in der Lage sehen, mit den vorhandenen Informationen im Geschäft und am Produkt eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen und tierische Lebensmittel miteinander vergleichen zu können.
nullChiara Brammer
Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Konsument*innen ihr aktuelles Bewusstsein im Mittelfeld einordnen. Nach dieser Frage wurde den Teilnehmer*innen die obige Tierwohlskala gezeigt und gefragt, ob ihnen diese Skala bei einer bewussten Kaufentscheidung und beim Vergleich von tierischen Lebensmitteln hilft.
nullChiara Brammer
Ein kurzer Blick genügt, um festzustellen, dass die Tierwohlskala eine deutliche Verbesserung bei den Konsument*innen bewirkt. Sie können demnach besser Vergleiche zwischen Produkten ziehen und eine insgesamt bewusstere Kaufentscheidung treffen.

Kaufabsicht: Wie viel wären Sie bereit mehr zu bezahlen?

Neben dem Bewusstsein wollte ich auch wissen, wie groß die Kaufabsicht in den einzelnen Tierwohlstufen ist und wie hoch der maximale Aufpreis ist, den die Konsument*innen für die jeweilige Stufe bezahlen würden.
nullChiara Brammer
Es zeigt sich deutlich, dass die Konsument*innen grundsätzlich gewillt sind, Produkte aus den höheren Tierwohlstufen zu kaufen. Wirft man nun aber einen Blick auf die maximalen Aufpreise, so geben die meisten Befragten an, dass sie einen maximalen Aufpreis zwischen 1 und 25 Prozent bezahlen würden. Nur Wenige Konsument*innen sind bereit über diesen Aufpreis hinauszugehen. Vergleicht man diese Erkenntnisse nun mit den aktuellen Preisen im Handel, wo sehr tierwohlfreundliche Produkte bis zu 400 Prozent teurer sind, als die günstigste Alternative, ergibt sich ein großer Spalt zwischen der Bereitschaft zur Überbezahlung und den tatsächlichen Aufpreisen.
nullChiara Brammer
Eine weitere spannende Erkenntnis war für mich, dass ein Großteil der Konsument*innen angibt, von gewohnten Produkten abweichen zu wollen, wenn sich durch die Skala herausstellt, dass dieses Produkt in der Stufe D ist. Generell würden viele Konsument*innen die Stufe D meiden, selbst wenn es keine Alternative mit einer höheren Tierwohlstufe im selben Geschäft gibt.

Skala übertrumpft bestehende Gütesiegelprogramme

Abschließend wollte ich noch herausfinden, ob die Kaufabsicht der Konsument*innen bei einer hohen Tierwohlskalenstufe höher ist als bei bestehenden Gütesiegeln, die für hohes Tierwohl stehen (EU-Bio Siegel, AMA Biosiegel und Bio Austria Logo)

Der Vergleich zeigt, dass die Konsument*innen bei der Tierwohlskala eine deutlich höhere Kaufabsicht in den hohen Tierwohlstufen angeben als bei klassischen Gütesiegeln. Dies lässt sich vermutlich darauf zurückführen, dass die Skala auf den ersten Blick eine Zuordnung und Vergleichbarkeit ermöglicht, ohne sich genauer mit einzelnen Gütesiegeln auseinandersetzen zu müssen.

Abschließend möchte ich festhalten, dass die Ergebnisse meiner Masterarbeit deutlich zeigen, dass eine Tierwohlskala den Konsument*innen dabei hilft, bewusstere Kaufentscheidungen zu treffen. Diese Transparenz und Vergleichbarkeit führt in weiterer Folge dazu, dass wir auf Dauer mit unseren Kaufentscheidungen gemeinsam für mehr Tierwohl in Österreich sorgen können.


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