Viele Menschen fragen sich: Wenn die österreichische Bundesregierung sich angeblich so vehement für den Erhalt der kleinbäuerlichen Landwirtschaft einsetzt, wieso müssen dann jeden Tag mehr Bauernhöfe für immer zusperren? Wenn die Landwirtschaftsminister*innen der letzten Jahre allesamt in Brüssel die Interessen unserer Landwirte vertreten haben, wieso geraten die dann immer mehr unter Druck und verdienen immer weniger?
Der Vergleich: Selbstdarstellung vs. Reale Politik
Angesprochen darauf, verweist die hohe Politik gerne auf die Europäische Kommission, auf die Übermacht der großen Nationen oder darauf, dass das „kleine Österreich“ sich leider beugen müsse. Das ist – gerade angesichts des Einstimmigkeitsprinzips – natürlich Unsinn. Aber es ist auch deswegen geradezu heuchlerisch, wenn man sich das tatsächliche Verhalten der österreichischen Regierung auf europäischer Ebene genauer ansieht.
Genau das haben Experten nun gemacht. Sie haben die von Eigenlob strotzenden Selbstdarstellungen von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger in Österreich mit ihrer realen Politik auf EU-Ebene verglichen. Und es zeigt sich, dass es eine große Diskrepanz gibt zwischen dem was sie den Landwirten und Bürger*innen verspricht und wie sie sich dann unter Amtskolleg*innen verhält. Wir möchten das an einem Beispiel konkreter darstellen.
Wachse oder weiche: Die kleinbäuerliche Landwirtschaft stirbt
Eine der großen Probleme der heimischen Landwirtschaft ist, dass der Druck zum Wachstum unaufhörlich steigt. Auch in Österreich gilt oftmals das Prinzip „wachsen oder weichen“, was letztlich nicht nur Tierleid befördert, sondern auch die Zerstörung der Natur und die Zersiedelung des ländlichen Raums. Wer nicht wachsen kann oder will, der muss zusperren. Damit geht aber weit mehr verloren als ein weiteres Stück Ernährungssouveränität, wir verlieren damit auch die Vitalität am Land, was für den Tourismus unabdingbar ist.
Bislang fließen ganze 22 Prozent der EU-Zahlungen, das sind mehrere hundert Millionen Euro jährlich, zu den 4 Prozent der größten heimischen Landwirte. Mehr als die Hälfte der Betriebe, darunter die vielen von den Bürger*innen so geschätzten kleinbäuerlichen Familienhöfe, erhalten allerdings nur rund 20 Prozent des Förderkuchens. Das zeigt eindrücklich, wie falsch das Steuergeld bislang verteilt wird. Wer viel hat, der bekommt noch mehr, wer wenig hat, der kriegt kaum was. Absolut ungerecht und falsch.
Schon lange wird daher gefordert, öffentlich auch von Ministerin Köstinger, dass es zu einer Umverteilung der Fördergelder kommen müsse. Große Betriebe sollen weniger erhalten, kleinbäuerliche Betriebe mehr. Es brauche daher Förderobergrenzen, so die Ministerin. Klingt gut und logisch und ist auch die Empfehlung der Expert*innen. So wäre sichergestellt, dass mehr Geld für die Kleinen da ist und eine klima- und tierfreundliche Landwirtschaft mehr gefördert wird als die Produktion auf gesetzlichem Mindestniveau.
Die Glaubwürdigkeit ist dahin
Im Agrarministerrat Ende Mai 2021 sprach sich Ministerin Köstinger dann aber plötzlich doch gegen diese Obergrenzen aus. Und damit auch gegen das eigene Regierungsprogramm, indem diese fix verankert sind. Auch gegen die verpflichtende Umverteilung stimmte die Ministerin, obwohl sie sich doch in Österreich stets dafür starkmachte. Kein Wunder, dass die Glaubwürdigkeit dahin ist und viele Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren.
Solange sich österreichische Politiker*innen in österreichischen Medien als Kämpfer für die heimische Landwirtschaft inszenieren, in Brüssel dann aber Politik für die Agrarkonzerne machen, brauchen wir uns nicht wundern, wenn das Bauernsterben weitergeht. Dabei wäre es so wichtig, dass wir endlich die erheblichen Mittel der Europäischen Union nutzbar machen, um die kleinbäuerliche Landwirtschaft abzusichern.
Wichtigste Ableitung ist wohl, dass wir uns künftig nicht mehr auf die schönen Worte der Politik verlassen, sondern konkrete Taten einfordern müssen. Das Tierschutzvolksbegehren hat gezeigt, was für eine Kraft in einer Bürgerbewegung steckt. Auch der kritische Konsum kann zu großer Dynamik führen. Am meisten aber braucht es den Schulterschluss zwischen Konsumenten und Produzenten. Denn verlieren wir unsere Bauern, dann verlieren wir alle.
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