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Meinung

Der Markt und das Ende der Natur

Die Menschheit hat bisher über 80 Prozent aller wildlebenden Säugetiere und etwa die Hälfte der Pflanzenwelt vernichtet. Statt Konkurrenz & Wachstum müssen planetare Belastungsgrenzen und gesellschaftliches Wohlergehen in den Fokus rücken.

5/2/2021
  • Klima
  • Artenvielfalt
Der Markt und das Ende der Natur

Alle Menschen zusammengenommen machen nur 0,01 Prozent der Lebewesen auf der Welt aus. Trotzdem hat die Menschheit bisher über 80 Prozent aller wildlebenden Säugetiere und etwa die Hälfte der Pflanzenwelt vernichtet. Das ist das erschreckende Ergebnis einer 2018 erschienenen globalen Bestandsaufnahme. Parallel zum Artensterben beschleunigt sich die Klimakrise in den letzten Jahrzehnten immer mehr. Ironischerweise hat erst die Pandemie im vergangenen Jahr den Anstieg der globalen Emissionen etwas gebremst – obwohl diese dieselben Wurzeln hat wie die großen ökologischen Krisen: Eine Weltsicht, die uns Menschen als abgetrennt von der Natur begreift und ein ökonomisches System, das von Ausbeutung und Wachstum abhängig ist.
 
Covid-19 beherrscht seit einem gefühlte Ewigkeiten langen Jahr unsere Leben, könnte aber nur der Anfang einer neuen Ära voller ökologischer und gesellschaftlicher Krisen immer größerer Ausmaße sein. Aufgrund von Erderhitzung und Naturzerstörung könnten sich in Zukunft bestimmte Krankheitserreger vermehrt ausbreiten. Neue werden auftreten, teilweise derzeit noch schlummernd in Permafrost oder in Wildtierpopulationen, in deren Lebensraum der Mensch immer weiter vordringt. Dazu kommen Extremwetterereignisse und Druck auf die Landwirtschaft durch Wassermangel oder Bodenerosion. Ganze Regionen rund um den Äquator könnten aufgrund von Extremtemperaturen in Kombination mit hoher Luftfeuchtigkeit schlicht unbewohnbar werden – die Heimat von hunderten Millionen Menschen.
 
Die meisten Pläne, um Klimakrise und Artensterben in den Griff zu bekommen, verbleiben in der Logik, die uns erst in die Ära der ökologischen Krisen gebracht hat. Sie wollen die Natur einer ökonomischen Kosten-Nutzen-Logik unterwerfen. Der Kern der Überlegungen ist Folgender: Umweltzerstörung und die Folgen der Klimakrise seien “externe Kosten”, die derzeit nicht von den Verursacher:innen getragen werden, sondern von uns allen. Würden diese Kosten “internalisiert”, also in Prozesse wie die Produktion von umwelt- und klimaschädlichen Gütern eingepreist, könnte der Markt reagieren und würde sich automatisch in Richtung nachhaltiger Produkte wandeln. Dieselbe Logik greift bei der ökonomischen Bewertung von Ökosystemen und deren “Dienstleistungen”. Wäre deren finanzieller Wert bekannt, würden Politiker:innen eher bereit sein, Entscheidungen für ihre Erhaltung zu treffen.

Doch dieser Ansatz hat viele Probleme. So werden durch eine Ausweitung der Marktideologie traditionelle und intrinsische Werte und Argumente für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen verdrängt. Vermeintliche “Kostenwahrheit” kann nie die wahren Folgen von Naturzerstörung abbilden. Meist beschränkt sie sich auf klar abgegrenzte Bereiche wie den CO2-Ausstoß, während andere ausgeblendet werden. Das ist ein Problem, denn oft verlagern sich durch neue Technologien die Belastungen nur: Etwa wenn Benzin- und Diesel-PKWs durch E-Autos ersetzt werden, die ebenso riesige Ressourcenmengen verschlingen.
 
Statt Konkurrenz und Wachstum müssen planetare Belastungsgrenzen und gesellschaftliches Wohlergehen zu den Leitlinien der Politik werden. Wenn wir die wirtschaftlichen Strukturen daran ausrichten und ihnen feste Limits setzen, machen wir nachhaltige Lebensweisen möglich. Dabei ist wichtig: Es gibt nicht den einen Masterplan gegen die ökologische Zerstörung, der auf der ganzen Welt angewendet werden kann. Stattdessen brauchen wir unterschiedliche Ansätze und regional angepasste Strategien, die ein gutes Leben für alle ermöglichen. Dabei können wir viel von indigenen Gruppen lernen, die in ihren Gebieten bis heute 80 Prozent der globalen Artenvielfalt schützen. Nicht, weil sie davon finanziell profitieren, sondern weil sie wissen, dass ihre Zukunft und die ihres Lebensraum miteinander verwoben sind.
 
Statt alles dem Markt unterzuordnen, müssen wir ihm essenzielle Bereiche entziehen. Dazu gehört nicht zuletzt der Schutz unserer Lebensgrundlagen. Wir müssen endlich verstehen, dass alle ökologischen Krisen zusammenhängen und dieselben Ursachen haben: Ein auf ständiges Wachstum und Profite ausgerichtetes Wirtschaftssystem und die Illusion, dass die Menschheit kein Teil der Natur, sondern von ihr unabhängig wäre. Dieses Verständnis führt uns in eine Sackgasse – leiten wir eine Wende ein, solange es noch möglich ist.


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