Der geplante Bau eines Tunnels durch das Naturschutzgebiet Lobau bei Wien sorgt für Proteste. Lautstark dabei ist Klima-Aktivistin Lena Schilling mit ihrem „Jugendrat“. Journalist Max Zirngast hat mit ihr über Motive und Ziele gesprochen.
oekoreich: Ihr als Jugendrat habt eine Aussendung gegen den Bau des Lobautunnels gemacht. Zuerst ganz kurz: Was ist der Jugendrat, seit wann gibt es euch und was sind eure Aktivitäten?
Der Jugendrat ist eine parteiunabhängige Organisation, die sich vor fast eineinhalb Jahren gegründet hat. Grundsätzlich ging die Initiative am Anfang von Leuten aus, die auch bei Fridays for Future dabei waren und viele sind immer noch dabei. Unsere Aktivitäten sind vielfältig und finden auf verschiedenen Ebenen statt. Wir bauen zum Beispiel in Schulen Schüler*innenkomitees auf, in denen Schüler*innen dann dezentral in Schulen aktiv werden oder sich mit coolen Leuten in den Schulen vernetzten können. Außerdem sind wir auch realpolitisch-aktivistisch aktiv, hängen Banner auf und versuchen politischen Druck auszuüben.
Das Klima-Thema ist sicherlich immer noch eines unserer zentralsten Gebiete, aber gesamtgesellschaftliche Probleme kann man nicht voneinander unabhängig denken. Es gibt ein System, das brüchig ist und es hakt an ganz vielen Stellen. Deswegen beschäftigen wir uns neben dem Klima klarerweise auch mit Bildung, Feminismus, Migration und ähnlichen Themen.
oekoreich: Und warum seid ihr jetzt gegen den Bau des Lobautunnels?
Ich glaube es sind seit Anfang an fast alle Organisationen, die sich mit Umwelt beschäftigen, dagegen. Und zwar aus ganz eindeutigen Gründen, angefangen bei der Tatsache, dass es eine 19 km lange Betonautobahn durch die Lobau, ein Naturschutzgebiet, ist. Biodiversität ist dabei auch ein Faktor, das heißt, dass schon wieder Lebensräume zerstört werden sollen. Man beschwert sich die ganze Zeit über den Regenwald, wo viel gerodet wird, aber jetzt sind wir in einer ähnlichen Situation und da muss man sich natürlich genauso dagegenstellen. Auch weil ganze wichtige Grundwasserreservoirs unter den Bereichen liegen, wo die Autobahn kommen soll und wenn da irgendetwas durchsickert, wäre das auch fürs Trinkwasser ganz furchtbar.
Was auch noch ein Thema ist: Ich bin als Wienerin als Kind selbst ganz oft in der Lobau gewesen und da hängt man einfach auch emotional dran.
oekoreich: Für den Fall, dass es zum Bau kommt, hat ihr Proteste und Besetzungen angedroht. Was habt ihr geplant und werdet ihr das alleine machen oder gibt es ein Bündnis oder andere Organisationen, die dabei sind?
Es passiert natürlich alles in Vernetzung miteinander. Einfach nur zu sagen, wir machen irgendwas und sprechen das nicht ab, wäre nicht sinnvoll. Ich glaube alle Organisationen werden machen, was sie können.
Wir haben gesagt, dass wir auf jeden Fall versuchen werden, eine Besetzung zu machen. Das ist natürlich nicht ganz einfach, weil der Baustart nicht bekannt ist und weil wir nicht wissen, wo sie beginnen werden. Das Ganze soll in Wien beginnen, also die Stadtstraße soll noch in Wien beginnen und dann in Richtung Schwechat gehen, das heißt man kann nicht sagen, auf welcher Seite sie anfangen werden. Deswegen müssen wir jetzt Besetzungsstrukturen aufbauen, die innerhalb von wenigen Stunden bereit sein können. Wir müssen schauen, dass wir so gut organisiert sind, dass wir jederzeit an einem von den beiden Enden sein können und blockieren können. Dabei werden die ersten Tage kritisch sein. Es ist schon der Plan eine langfristige Besetzung zu machen, also nicht nur einen Tag, sondern so lange wie nötig.
oekoreich: Ihr habt in eurer Aussendung einen Verweis auf Hainburg gemacht. Ihr habt vom zweiten Hainburg gesprochen. Hainburg ist in der politischen Geschichte Österreich sehr eng mit einer Partei verbunden, die im Moment auch in der Regierung ist und für sich beansprucht gerade beim Thema Klima die fortschrittlichsten Positionen zu vertreten. Wie seht ihr das?
Ja (lacht). Da muss man sich jetzt nur anschauen, bei was für Sachen die Grünen in der letzten Zeit mitgestimmt haben. Ich bin sehr gespannt, ob von den Grünen zum Lobautunnel irgendwas kommt, ich würde ehrlich gesagt nicht darauf wetten. Ich glaube es ist ganz spannend zu sehen, was passiert, wenn sich solche Bewegungs- oder Besetzungsstrukturen zu einer Partei formieren, aber auch was passiert, wenn dann solche maßgeblichen Oppositionsparteien in die Regierung gehen.
Wie alle haben wir die Grünen genau beobachtet und uns gefragt, wofür sie denn jetzt noch genau stimmen, und ich glaube beim Klimaschutz könnten sie sich beweisen. Das wäre das einzige Themengebiet, wo sie gerade an Boden gutmachen könnten. Es ist eine nette Vorstellung, aber daran glaubt kaum noch jemand. Aber ich werde natürlich sowohl mit der SPÖ in Wien, wie auch mit den Grünen auf Bundesebene Termine anpeilen und ihnen auch ganz klar kommunizieren, was das bedeutet, wenn sie diesen Bau durchziehen. Ich befürchte aber sie werden es durchziehen und das Einzige, was den Bau des Lobautunnels stoppen kann sind Proteste.
Ich bin auch gespannt, ob es die Genehmigungen weiterhin geben wird, weil die Kostenkalkulationen jetzt schon so weit auseinander gehen und zwischen 2 und 4,5 Milliarden Euro bewegen – ein ziemlicher Unterschied. Spannend wird auch, wie sich die Gärtnereien vor Ort wehren werden, denn wir wollen die Proteste ja auch mit den Leuten vor Ort aufbauen.
oekoreich: Abschließend vielleicht etwas allgemeiner gehalten: Was ist denn eure Vision für die Stadtentwicklung Wiens, vor allem auch aus klimapolitischer Sicht?
Es ist ganz offensichtlich, dass es in Wien eine Mobilitätswende braucht. Was den öffentlichen Verkehr betrifft ist Wien wirklich sehr gut ausgebaut und es wäre an der Zeit eine Mobilitätswende zu forcieren, wenn wir bis 2040 klimaneutral sein sollen. Wenn da jetzt der Lobautunnel gebaut wird, dann geht sich das sowieso nicht aus.
Das heißt, die Vision wäre eine Stadt und ein Land in dem Klimaschutz nicht nur als Marketinggag passiert, sondern dass wirklich jemand daran glaubt und dementsprechend handelt – denn Österreich ist ein Land, in dem über 5 Millionen Autos zugelassen sind. Ich habe ganz oft das Gefühl, dass was passiert, viel zu wenig ist. Um ein Beispiel zu nennen, die SPÖ mit ihrer Klimamusterstadt. Sie betet das wie ein Mantra herunter, aber das Einzige, was man davon sieht, sind irgendwelche Sprühduschen. Das ist zwar ganz nett, aber das kann ja nicht alles sein.
Eine ökologische Wende bedeutet Freiheit, eine Vision gemäß der wir in den Städten, auf den Straßen viel Platz haben, weil es weniger Autos gibt, dass wir mehr öffentlichen Raum hätten, dass die Luft besser ist. Ich glaube wir können uns so viel Freiheit zurückholen, alleine wenn man daran denkt, wie schön es ist im Sommer, wenn wir viele Grünflächen und viel Platz haben. Deswegen muss die Kernbotschaft sein, dass man jetzt beweisen kann, wie ernst man Klimaschutz nimmt oder auch nicht. Und das ist etwas ganz Konkretes, an dem die Parteien und alle Akteure*innen zeigen können, wo sie stehen. Genau deswegen hat der Lobautunnel das Potential ein Hainburg 2.0 zu werden.
Lena Schilling (20) ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten der österreichischen Fridays For Future-Bewegung. Die Studentin der Politikwissenschaften ist seit Jahren im Klima- und Umweltschutz aktiv und gründete den "Jugendrat", eine autonome Jugendorganisation. Darüber hinaus ist sie Co-Sprecherin der Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz und Mitglied des Stiftungsbeirats der Gemeinwohlstiftung COMÚN.
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