Eine neue Petition zur Gen-Food-Regulierung wurde kürzlich gestartet. Anlass ist, dass die EU-Kommission bestehendes EU-Gentechnikrecht für die Landwirtschaft aufzuweichen und zugunsten einer vereinfachten Zulassung zu deregulieren plane. Noch unterliegen jedoch alle Lebensmittel, die mit Methoden der Neuen Gentechnik (NGT) produziert wurden, den strengen Regeln des EU-Gentechnikrechts. Die NGO Global2000 fürchtet jedoch, dass sowohl Risikoprüfung wie auch Kennzeichnungspflicht fallen könnten.
"Vorsorgeprinzip, Risikobewertung und Kennzeichnung müssen auch künftig die Leitlinien beim Umgang mit Gentechnik in der Landwirtschaft sein", hieß es in einem Statement des ehemaligen Gesundheitsministers Wolfgang Mückstein (Grüne) gegenüber der APA. Er stehe bei der sogenannten "Neuen Gentechnik" klar auf der Seite der Konsumentinnen und Konsumenten, sagte er unter Hinweis auf seine Ressortzuständigkeit und werde hier "Ausnahmen im Zulassungsprozess und bei der Kennzeichnung" daher ablehnen. "Wir haben das Recht zu erfahren, ob unser Essen frei von Gentechnik ist. Österreich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in der EU eindeutig positioniert", so der ehemalige Minister weiter.
Zulassung ohne Risikoprüfung möglich
Die in der EU etablierten Kontrollsysteme für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel sind laut Arbeiterkammer (AK) gut erprobt und erlauben es, unerwartete negative Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt vor einer Marktzulassung zu bewerten und wenn nötig zu verhindern. "Bestehende EU-Gentechnikregeln müssen daher auch zukünftig für die neuen gentechnischen Verfahren gelten", forderte AK-Gentechnikexpertin Iris Strutzmann, die NGO-Initiative "Pickerl drauf! Neue Gentechnik im Essen" werde daher begrüßt.
"Geht es nach Chemie- und Saatgut-Konzernen, könnten Pflanzen und Lebensmittel, die mit Methoden wie CRISPR/Cas9 gentechnisch verändert wurden, schon bald ohne umfassende Risikoprüfung oder Kennzeichnungspflicht zugelassen werden", hieß es vonseiten der Umweltschutzorganisation. Unter dem Motto "Pickerl drauf!" startet die NGO deswegen eine Petition mit der Forderung an die Verantwortlichen der österreichischen Regierung, sich auf EU-Ebene für eine strikte Regulierung und verpflichtende Kennzeichnung von Neuer Gentechnik im Essen einzusetzen. "Wir setzen uns auch für mehr unabhängige Forschung zu den Umweltauswirkungen von Neuer Gentechnik ein", ergänzt Global 2000.
Rückschritt bei Regulierung von Gentechnik droht
Im zweiten Quartal 2022 werde die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation zu diesem Thema abhalten. Sie habe dabei die Absicht, Neue Gentechnik nicht mehr wie konventionelle Gentechnik zu regulieren und begründe dies mit der Wiederholung von unbelegten Nachhaltigkeitsversprechungen der Konzerne - wie etwa der Pestizid- und Treibhausgasreduktion durch NGT-Pflanzen. "Die Vorschläge der Kommission zur Aufweichung des EU-Gentechnikrechts lesen sich wie ein Wunschzettel der Saatgut- und Chemieindustrie", kritisierte Global 2000.
Die Landwirtschaft brauche echte Lösungen, so die NGO auch unter Hinweis auf die Klimakrise. Eine weiterhin strenge Regulierung aller Gentechnik-Pflanzen diene dem Wohle der Natur und dem Schutz von Ökosystemen, argumentierte Agrar-Ingenieurin Mute Schimpf von Friends of the Earth Europe in Brüssel.
Neue Gentechnik in der Landwirtschaft sei in Europa im Bereich der Produktentwicklung und Grundlagenforschung ein gut finanziertes Gebiet, die unabhängige Risiko- und Sicherheitsforschung spiele jedoch eine untergeordnete Rolle, so Global 2000. Die EU-Mitgliedsstaaten würden bisher demnach nur 1,6 Prozent ihrer Forschungsgelder im Bereich der NGT für Risikoabschätzung, Monitoring und Nachweismethoden ausgeben.
Landwirtschaft zeigt sich abwartend
Die Landwirtschaftskammer (LK) hat sich in einer Aussendung zu den neuen Züchtungsmethoden abwartend positioniert, und ist "weder für ein vorschnelles Ja oder Nein zur Neueinstufung und Verwendung". Man spreche sich für eine gewissenhafte Forschung, Entwicklung, Prüfung und Bewertung auf EU-Ebene aus. "Wir brauchen bei diesen neuen Techniken zumindest europaweit eine einheitliche Bewertung. Das ist für eine wettbewerbsfähige Züchtung und Landwirtschaft von großer Bedeutung", betonte LK-Präsident Josef Moosbrugger.
Der LK-Präsident wies darauf hin, dass außerhalb der EU ein Großteil der Staaten neue Züchtungsmethoden nicht als GVO eingestuft und damit gar nicht reglementiert hat. Die Länder müssen oder wollen diese Techniken bzw. daraus entstehende Organismen somit nicht als GVO kennzeichnen - mit allen Auswirkungen auf den internationalen Agrar- und Lebensmittel-Handel.
(oekoreich/APA)
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